Para
Tischtennis
Langfristiger Trainingsaufbau Para Tischtennis
Übersicht zur Strukturierung
Der langfristige Trainingsaufbau im Para Tischtennis unterscheidet sich in vereinzelten Punkten vom olympischen Sport, diese Unterschiede sind jedoch von besonderer Bedeutung. Besonders in der Taktikschulung, welche sehr individuell für jede Wettkampfklasse ist, als auch in der Belastungssteuerung, sind diese Unterschiede am größten.
Im unteren Teil dieses Abschnittes stellt eine Tabelle den langfristigen Trainingsaufbau dar. Der Inhalt dieser Tabelle wurde für alle Athleten konzipiert, d.h., dass sowohl ein Athlet aus der Wettkampfklasse 10, welche dem olympischen Sport sehr ähnelt, als auch ein Athlet der Wettkampfklasse 1 die Tabelle nutzen kann. Je nach Athleten muss diese Tabelle jedoch individuell angepasst werden. Die körperlichen Gegebenheiten spielen hierbei die ausschlaggebende Rolle.
Neben Athletinnen und Athleten, die schon seit Geburt an eine Behinderung haben, gibt es auch solche, die diese erst im Laufe des Lebens durch einen Unfall oder andere Gründe bekommen. Sie werden in sportfachlich-organisatorischer Hinsicht Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger genannt. Für einige, aber nicht alle, Para Athletinnen und Athleten kann der langfristige Trainingsaufbau schon mit vier Jahren beginnen. Um jeden individuellen Trainingsbeginn berücksichtigen zu können, wird im Para Tischtennis daher nicht von Jahrgangsstufen, sondern vom Trainingsalter gesprochen.
Oftmals haben Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger im Para Tischtennis bereits Vorerfahrungen gesammelt, auf die sie zurückgreifen können. Diese können jedoch nicht spiegelbildlich auf das Para Tischtennis bezogen werden. In den niedrigen Wettkampfklassen herrscht ein differenteres, taktischeres und spielerischeres Verständnis als im olympischen Sport, dieses müssen auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger neu erlernen. Die ersten Kontakte zum Sport und einen Leistungsaufbau erfahren diese Athleten oftmals in einer Klinik oder Reha. Hier werden von Fachleuten sehr individuelle (Trainings-)Pläne erstellt.
Die untenstehende Tabelle soll als Orientierung dienen und wird in den meisten Fällen nicht gezielt auf eine Behinderung zutreffen. Trainer sowie Athleten müssen hier individuell die auf sie zutreffenden Abschnitte herausfiltern.
Förderstufe |
Dauer (Jahre) Trainingsumfang/ Woche und Einheit |
Trainingsalter/Kader/ Trainingsort/verantwortliche Institution
|
Voraussetzungen |
FS 1 |
-1/2–1 Jahr
|
- 1-3 Jahre (Im Para Sport überwiegend Vereine und Landeskader) |
Interesse und Freude an sportlicher Bewegung, allgemein motorisches Vermögen oder Können (Talent)
|
FS 2 Grundlagen-training
|
- 2 Jahre |
- 3-4 Jahre Vereine und Landesverbände |
Interesse, Motivation, allgemein motorisches Können/Vermögen, gute Lernfähigkeiten (Talent)
|
FS 3 (a) Aufbautraining
|
- 3 Jahre - 4-5 Einheiten/ Woche - 2 Stunden/Einheit
|
- 5-6 Jahre
Vereine, Landeskader,
|
Fertigkeit für Tischtennis, Eigeninitiative, Lern- und Leistungsfortschritte in definierten Zeiträumen, geeignetes Umfeld, Bewegungsbegabung, sportartgerichtete Leistungsmotivation
|
FS 3 (b) Aufbautraining II mit Anschluss
|
- 3 Jahre
|
- 6-8 Jahren - Nachwuchskader II Vereine, Landeskader, NK1- Bundeskader |
positive Entwicklung der Tischtennis-spezifischen Eigenschaften; Spielintelligenz; Fähigkeit, aus der Wettkampferfahrung zu lernen; Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit
|
FS 4 Leistungstraining mit Anschluss an das Hochleistungs-training
|
- 2 Jahre 4-6 Einheiten/ Woche
|
- 8-9 Jahre |
sportartspezifische Kriterien, günstiges Trainingsumfeld, Motivationsgrad, Leistungsentwicklung, Leistungsstand
|
FS 5 Hochleistungs-training
|
-unbegrenzt
|
- 9-10 Jahren |
Wettkampfergebnisse |
Tabelle: Förderstufen
Tabelle: Trainingsinhalte der einzelnen Förderstufen
FÖRDER- STUFEN |
TRAININGSZIELE/INHALTE 1. ALLGEMEIN 2. SPORTARTSPEZIFISCH |
WETTKÄMPFE |
PLANUNGSHINWEISE FÜR 1.TRAININGSFORM 2. SOZIALES UMFELD |
BEHINDERUNGS-SPEZIFISCHE |
FS1 |
1. Entwicklung der koordinativen Fähigkeiten und Schaffung einer konditionellen Basis |
Mit dem Vereinstrainer und Landestrainer abgesprochene Wettkämpfe: |
1. Gruppentraining, Roboter- und Balleimertraining, höhenverstellbare Tische (für junge Kinder) |
1. Rollstuhlumgang erlernen |
FS2 |
1. Intensive Koordinationsschulung |
1. Wettkämpfe im olympischen Sport: Mannschaftswettkämpfe und Individualwettkämpfe |
1. Gruppentraining, Roboter- und Balleimertraining, höhenverstellbare Tische (für junge Kinder) |
1. Rollstuhlfahren verbessern (tischtennisbezogen) |
FS3(A) |
1. Eine vielseitige Leistungsgrundlage schaffen, koordinative und konditionelle Fähigkeiten stehen hier im Vordergrund (Schnelligkeit, Reaktionsgeschwindigkeit) |
1. Wettkämpfe im olympischen Sport: Mannschaftswettkämpfe und Individualwettkämpfe |
Wie in FS1 und FS2 mit Berücksichtigung der Wettkampftermine |
1. Umgang mit dem Rollstuhl weiter perfektionieren |
FS3(B) |
1. Eine vielseitige Leistungsgrundlage schaffen, koordinative und konditionelle Fähigkeiten stehen hier im Vordergrund (Kraft, Ausdauer) |
1. Wettkämpfe im olympischen Sport: Mannschaftswettkämpfe und Individualwettkämpfe |
Wie in FS1 und FS2 mit Berücksichtigung der Wettkampftermine, |
1. Umgang mit dem Rollstuhl weiter perfektionieren |
FS4 |
1. Weiterentwicklung aller bisher gelernten Fähigkeiten |
1. Wettkämpfe im olympischen Sport: Mannschaftswettkämpfe und Individualwettkämpfe |
Wie in FS1 und FS2 mit Berücksichtigung der Wettkampftermine, |
1. Umgang mit dem Rollstuhl weiter Perfektionieren |
FS5 |
1. Stabilisierung physischer und psychischer Leistungsfaktoren, Anstreben des persönlichen Leistungsmaximums |
1. Wettkämpfe im olympischen Sport: Mannschaftswettkämpfe und Individualwettkämpfe |
1. Periodisierung in Bezug auf den Wettkampfkalender |
1. Umgang mit dem Rollstuhl weiter perfektionieren weiter an neuen Ideen arbeiten und selbstständig versuchen das eigene Spiel zu optimieren. |
Tabelle: Zusammenfassung entwicklungsspezifische Merkmale (FS1)
Technik |
Taktik |
Ausdauer/ |
Schnelligkeit/ |
Koordination |
Behinderungsspezifische |
- Vermittlung der Schlägerhaltung und des Balltreffpunktes |
- Schulung des peripheren Sehens |
- Ausdauer: Langzeitausdauer (lange Dauer und geringe Intensität) |
- leichte Steigerung der Bewegungsschnelligkeit - Übungen zur Erhaltung der Beweglichkeit |
- Schulung der Differenzierungsfähigkeit |
- Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer sollen das Vor- und Zurückfahren üben. Es sollte die gezielte Beschleunigung in beide Richtungen trainiert werden (sprinten). - Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen, vorwiegend jedoch die seitlichen Bewegungen schulen |
Zusammenfassung entwicklungsspezifischer Merkmale FS2
Technik |
Taktik |
Ausdauer/ |
Schnelligkeit/ |
Koordination |
Behinderungsspezifische |
- Stabilisierung des Balltreffpunktes |
- Schulung des peripheren Sehens |
- Ausdauer: nur aerobes Training, |
- Schnelligkeit: Verbesserung der Reaktionszeit und der Bewegungsfrequenz - Allgemeine Beweglichkeit mit einbeziehen |
- Verbesserung der Auge-Hand-Koordination |
-Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer sollen ihr allgemeines Rollstuhlfahren verbessern, beispielsweise das Balancieren und Fahren kurzer Strecken auf den zwei Hinterreifen. - Der Rollstuhl muss an den Tischtennissport angepasst werden (Sitzhöhe, Sitzwinkel etc.) |
Zusammenfassung entwicklungsspezifischer Merkmale FS3 (A)
Technik |
Taktik |
Ausdauer/ |
Schnelligkeit/ |
Koordination |
Behinderungsspezifische |
- Erlernen der gesamten Bewegungsspezifik (aller Schlag- und Beinarbeitstechniken) |
- Individualisierung der technischen Möglichkeiten |
- Ausdauer: Entwicklung der aeroben Ausdauer - Schnellkrafttraining für die Beine bzw. bei den Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern für den Nicht-Schlagarm |
- Schnelligkeit: Reaktionszeiten verbessern - Hohe Bewegungsfrequenz besonders beim Ausführen von Einzelbewegungen |
- Beobachtungs- und Wahrnehmungsfähigkeit weiter steigern |
- Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer sollten nun das Rollstuhlfahren ausschließlich mit dem Nicht-Schlagarm verbessern. Hier sollen besonders tischtennisspezifische Bewegungen, wie die Bewegung nach vorne und zurück unter den Tisch, im Vordergrund stehen. - Erreichen der kurzen VH und der kurzen RH. |
Zusammenfassung entwicklungsspezifischer Merkmale FS3(B)
Technik |
Taktik |
Ausdauer/ |
Schnelligkeit/ |
Koordination |
Behinderungsspezifische |
- Entwicklung des individuellen Spielsystems, hier besonders auf die Individualität der Behinderung eingehen |
- Verbesserung des taktischen Verhaltens gegenüber verschiedenen Materialien - Aufschlag und Rückschlag erreicht einen hohen Stellenwert im Spiel |
- Ausdauer: Training des Herz-Kreislauf-Systems |
- Schnelligkeit: alle relevanten Schnelligkeitsfaktoren im Tischtennis (Beinarbeit, Beschleunigung im Spielarm etc.) verbessern |
- Stabilisierung der bekannten Bewegungen - Variationen der Bewegungsausführungen |
- Rollstühle, vor allem aber Prothesen, noch weiter für den Tischtennissport optimieren |
Zusammenfassung entwicklungsspezifischer Merkmale FS4 und FS5
Technik |
Taktik |
Ausdauer/ |
Schnelligkeit/ |
Koordination |
Behinderungsspezifische |
- Die Technik wird optimiert: Neue Schläge ausprobieren und erfinden, sodass in der Spielklasse ein Leistungsvorsprung erzielt werden kann |
- Antizipation, Präzision und Variabilität der Schläge unter psychischen und physischen Leistungsdruck steigern - Mentales Training gewinnt an Bedeutung |
- Ausdauer und Kraft stetig erhöhen oder auf dem bestmöglichen Level halten |
- Schnelligkeits-eigenschaften sind bei jungen Athletinnen und Athleten nun genauso ausgeprägt wie bei Quereinsteigern - Schnelligkeit stetig verbessern oder das Top-Niveau halten - Beweglichkeit: regelmäßiges Trainieren und Schulen von Beweglichkeiten, besonders der Schulter, Hüfte, Brustwirbelsäule und des Handgelenks |
- Grundschlag-techniken und selbst kreierte Schlagtechniken in Drucksituation trainieren |
- Im gesamten Zeitraum der aktiven Karriere müssen der Rollstuhl oder die Prothese versorgt werden - Veränderungen sollten vorgenommen und erprobt werden - Der Athlet sollte die behinderungsspezifischen Schwächen des Gegners selbstständig erkennen und diese gezielt anspielen - Die Videoanalyse im Paralympischen Tischtennis ist ein notwendiges Mittel, um die eigene Taktik und Technik zu verbessern und um die behinderungsspezifischen Stärken und Schwächen des Gegners herauszuarbeiten. |
Da die Phasen aufeinander aufbauen, sollte im Training darauf geachtet werden, die Reihenfolge einzuhalten. Es wird davon abgeraten Phasen zu überspringen, denn so können Defizite entstehen, die nur mit sehr intensivem und schwierigem Training wieder aufgeholt werden können. Besonders die Grundschlagtechniken, die Grundarten der Beinarbeit oder der Umgang mit dem Rollstuhl am Tischtennistisch sind essenziell und dienen somit als Basis. Diese gibt den Athleten viel Sicherheit und vereinfacht zudem die sportliche Laufbahn.
Zusätzlich sind Kondition, Konzentration, Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer von hoher Bedeutung und müssen stetig mittrainiert werden. Diese Eigenschaften können gerade bei langen Turnieren der ausschlaggebende Punkt über Sieg oder Niederlage sein. Ein stabiles Grundgerüst lässt die Athleten dauerhaft gute Leistungen abrufen, während ein instabiles Grundgerüst nur für vereinzelte gute Leistungen genutzt werden kann.