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Anforderungen an Trainer

Kommen Kinder oder Quereinsteiger das erste Mal zum Training oder zu einem Talenttag, dann ist in besonderem Maße die Atmosphäre und die persönliche Ansprache wichtig, denn oftmals ist die gesamte Situation neu und ungewohnt: der präparierte Schnee, die Ski, die Menschen vor Ort, das Material usw. Um ein optimales In-Kontakt-Kommen und späteres Onboarding von Nachwuchsathleten sicher zu stellen, ist die sogenannte Barrierefreiheit wichtig. Nach dem Zwei-Sinne-Prinzip sollen mindestens zwei der drei Sinne Hören, Sehen und Tasten angesprochen werden für eine verbesserte Barrierefreiheit vor Ort, z. B. an der Trainingsstätte. Neben baulichen Barrieren gilt es ggf. bestehende kommunikative Barrieren, soziale Barrieren (durch bspw. fehlende Information der Trainingsgruppe) und aufgabenbezogenen Barrieren z. B. in Spielabläufen zu vermeiden.
Zeit zum Beobachten der anderen bei der Ausübung des Sports oder beim Anziehen des Materials, ist ebenso wichtig wie ungestörte Zeit für Fragen und zum ausführlichen Erörtern eines geplanten Ablaufs. Hier bietet sich eine eins-zu-eins Betreuung an. Denn gerade, wenn wenige Informationen über die Behinderung vorliegen, ist der Impact dieser neuen Situation oftmals schwer abzuschätzen. Dies gilt es durch rechtzeitige Information in einem Vorgespräch zu vermeiden. Es empfiehlt sich daher früh nach den ersten geführten Schritten oder Schüben regelmäßig Pausen einzulegen und das Erlebte kurz zu reflektieren und durchzuatmen.
Gerade in Situationen, in denen die neuen Para Sportler die Balance zu verlieren scheinen, ist ein leichtes Absenken des Schwerpunktes durch ein tiefes Ausatmen hilfreich, um körperlich wie auch mental die Balance und Ruhe wieder zu finden. Die Erinnerung und Anlehnung an bereits bekannte Bewegungen von Stehern wie gehen, locker joggen oder tanzen und die Kombination aus bewusstem Lächeln und dem Blick nach vorne, haben sich in zahlreichen Anfängerstunden bereits als förderlich erwiesen und für Freude und Kenn-ich-kann-ich-Gefühle gesorgt.

Kompetenzen für den weiteren Weg

Was ist das Anforderungsprofil eines Trainers? Was wird von ihm erwartet? Welche Rollen nimmt er ein? Wie setzt er seine sozial-kommunikative, seine Fach-, Methoden- und strategische Kompetenzen optimal ein? Diese und weiter Fragen sollen im folgenden Abschnitt geklärt werden.
Das Empfinden und Handeln eines Menschen ist von seinen Vorerfahrungen und seiner Ausbildung geprägt, so haben auch Trainer unterschiedliche Vorerfahrungen und Schwerpunkte in ihrem Handeln. Überdies sind die individuellen Handlungssituationen unterschiedlich. Vorbilder und Leitlinien dienen als Orientierung für die Trainer, die ja selbst vor der Gruppe stehen und Vorbild sein sollen. Sie sind nicht nur Teil der Gruppe, ihnen obliegt die Führungsrolle.
Was bedeutet nun Führung in diesem Kontext? In erster Linie ist sie ohne gelungene Selbstführung nicht möglich. Bei aller alltäglichen und individuellen Arbeit den situativen und langfristigen Überblick zu behalten, erfordert zahlreiche Kompetenzen in den Bereichen der Selbst- und Stressregulation, der Reflexion und der Zusammenhänge von Person, Situation und der Person-Situation-Interaktion. Empathie, Sympathie und Charisma sind sowohl Konsequenz daraus als auch gleichzeitig Voraussetzung dafür.
Sich als Trainerpersönlichkeit ständig weiterzuentwickeln, ist eine notwendige Bedingung für langfristigen Erfolg. Hierbei ist neben regelmäßiger Fortbildung, um das eigene sportartübergreifende und sportartspezifische Handwerkszeug aufzufrischen und zu erweitern, besonders auch die intra- und interdisziplinäre Vernetzung innerhalb des Skisports, des Schneesports sowie auch beispielweise mit Schulen oder wissenschaftlichen und medizinischen Einrichtungen wichtig. Eine Übersicht über die aktuellen Lehrgänge im DBS finden Sie unter
https://www.dbs-npc.de/lehrgangsplan.html

Fokuswechsel
Die Fertigkeit situationsabhängig vom Fokus auf Detailebene auf einen kurz-, und langfristigen Weitwinkel-Fokus wechseln zu können, zeichnet einen guten Trainer aus. Bild: R. Kiefer

So können die Rahmenbedingungen geschaffen werden für gelingende Kommunikation, klare Abläufe, die Regulation von Emotionen wie Ängsten und ein funktionales motivationales Klima, innerhalb der Wahrnehmung des Trainers und innerhalb seiner Gruppe.

Bleiben in Erinnerung: Die „K“-Kompetenzen nach Rolf Schilli (Skisprungtrainer):
Kenntnisse, Kontinuität, Kommunikation, Kreativität, Charisma.

Ebenso greift ein erfolgreicher Trainer auf bewährte Verfahren zurück und ist gleichzeitig immer offen für Innovationen. Was wann wieviel Raum und Aufmerksamkeit erhält, muss immer wieder neu entschieden werden. Der Trainer übernimmt Verantwortung, welche zusätzlich Einsicht und das Bewusstsein einer moralischen Verpflichtung erfordert. Wie weit diese Verantwortung geht, liegt in der jeweiligen (Auftrags-)Klärung des Trainers mit seiner Gruppe und seinem Arbeitgeber. Der Trainer übernimmt so oftmals verschiedene Rollen als Moderator, Coach, Lehrer, Vorgesetzter, Organisator, Reiseplaner – als Ansprechpartner in allen Belangen. Die Klärung der Erwartungen, die sich aus unterschiedlichen Rollen ergeben, ist wichtig für die gegenseitige Beziehung. Die Trainer-Athlet-Beziehung ist neben der Kompetenz des Trainers und dem Talent des Athleten von entscheidender Bedeutung für einen Erfolg auf Topniveau. Sie lebt von der Balance des Erlebens von Zugehörigkeit und notwendiger Autonomie des Athleten.

Wer Leistung will, muss Sinn anbieten. Vera Birkenbihl

Einen ganzheitlichen Blick auf die Entwicklung der Athleten kann das auf Grundlage mehrerer Jahrzehnte Entwicklungsforschung basierende Five Cs Model von Richard und Jaqueline Lerner (Harvard, 2021) aufzeigen. Es beschreibt psychologische und soziale Merkmale einer gelungenen Entwicklung hin zu einem produktiven und gesunden Leben. Es kann für Trainer, Para Sportler sowie Eltern eine Hilfe sein. Übersetzt auf den Para Sport kann das erste C („competence”) in Bezug auf das notwendige Alltags-, Technik- und Trainingswissen eines Athleten bezogen werden, welches mit dem Trainer und dem Team zusammen stetig erweitert wird und im Kapitel zu den Entwicklungsstufen präzisiert wird. „Confidence“ beschreibt das aus positiven Erfahrungen im und mit dem Sport entwickelte Selbstwertgefühl und die Selbstwirksamkeitserwartung. Das Zugehörigkeitsgefühl zur Trainingsgruppe und dem Sportumfeld an sich spiegelt sich im Begriff „connection“ wider und geht einher mit der notwendigen gegenseitigen Empathie im Trainingsumfeld („caring/compassion“). Der Respekt vor Normen, ein Gefühl für richtig und falsch sowie Integrität („character“) ist ebenso wichtig wie der regelmäßige eigene Beitrag zur Gemeinschaft, ein Gefühl für das ausgeglichene Geben und Nehmen.
Der Erfolg der Vergangenheit bildet die Basis für die Erfolge der Zukunft. Wie wir Erfolge wahrnehmen, sie feiern und transformieren, beeinflusst unsere Motivation, unseren Bewältigungsglauben und unsere Selbstwirksamkeitserwartung. Die Entwicklung eines Para Sportlers hin zu einem mündigen, selbstbewussten Athleten hängt auch davon ab, nicht zu oft überfordert zu werden. Er benötigt das Wissen über einen langfristigen Leistungsaufbau ebenso wie die regelmäßigen Erfolgserlebnisse und deren Wahrnehmung und richtige Einordnung.

A good coach can change a game. A great coach can change a life. - John Wooden

Gemeinsam im Team erfolgreich
Gemeinsam als Team erfolgreich in Peking. Bild: R. Kuckuck

Anforderungen an Trainer

Kinder und Jugendliche werden Trainer anvertraut, da man ihnen die notwendige Sportkompetenz sowie die Fähigkeit Lernsituationen und Entwicklungsprozesse zu gestalten zuschreibt. Hierfür benötigen Sie auch die Kompetenz sich selbst zu führen, d.h. eine eigene Coaching-Philosophie zu entwickeln, die eigene Entwicklung zu fördern, die eigene Rolle und Haltung zu reflektieren, an persönlichen Stärken und Schwächen zu arbeiten sowie eine Balance zwischen privatem Alltag und Training sicherzustellen.
Darüber hinaus werden Führungs- und Beziehungskompetenzen aus Wissen und Erfahrung generiert, um relevante Informationen von unrelevanten zu trennen, Entscheidungen zu treffen und kommunizieren zu können, mit Weitblick ein Team zu entwickeln, sinnvoll zu organisieren und die Dynamik in Teams mit konstruktiven Beziehungen zu stabilisieren. Trainer müssen zudem glaubwürdig sein.

Die Glaubwürdigkeit ist die wichtigste Voraussetzung für eine gelingende Kommunikation und Trainerarbeit.

Ziel ist ein Klima und eine Kultur der Entwicklung, mit definierten Verantwortlichkeiten und Rollen in der Trainingsgruppe, mit Beteiligung und Mitverantwortung. Eine gelingende Kommunikation mit den verschiedenen Stakeholdern des Sportumfeldes erfordert viel Geschick im Umgang mit (scheinbaren) Dilemmata, Komplexität und unvorhergesehenen Ereignissen. Die Entwicklung der Para Sportlern sowie deren Entwicklung sollen im Mittelpunkt stehen. So ist neben dem notwendigen Überblick und der Weitsicht auch die Detailsicht notwendig. Durch das Beobachten, Analysieren und Feedbackgeben kann das Komplexe vereinfacht werden und ist situative Priorisierung möglich (Olympiatoppen, 2019b).
Trainer sowie Para Sportler müssen geduldig sein, der Top-Level-Erfolg im Ausdauersport erfordert über viele Jahre stetig ansteigende Trainingsumfänge und eine langfristige Perspektive. Umfangreiches trainingswissenschaftliches Wissen vermindert das Risiko von Entwicklungssackgassen und erhöht das Verständnis von Ursache und Wirkung im Trainingsprozess. Methodische und didaktische Kenntnisse helfen das Wissen in der Praxis zielführend umzusetzen.

„Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem nur einen Nagel.“ (Mark Twain)

Auch die individuellen Gesamtbelastungen neben dem Training sind für die Trainingsgestaltung zu beachten. Gerade im Kindes- und Jugendalter sind die schulischen und außerschulischen Belastungen teilweise enorm, hinzukommen ggf. Arzt- und Physiotermine. In den letzten Jahren ist auch die Bildschirmzeit zu einem wesentlichen Zeitfaktor geworden. Der Trainer sollte eine Orientierung geben für die Relevanz der Zeit, die zur Verfügung steht und für eine sinnvolle Priorisierung, um sportlich und schulisch erfolgreich zu sein, um soziale Kontakte ausreichend zu pflegen und um gesund zu bleiben.
Professioneller Sport ist ohne eine Vielzahl von Teilgebieten und deren Experten nicht mehr denkbar. Ein Trainer kann nicht in allen Bereichen Experte sein. Er schafft sich mit der Zeit ein Netzwerk von Experten, denen er vertraut, die inhaltlich kompetent wirken, aber auch kritisch hinterfragen.
Ein entscheidendes Werkzeug eines Trainers ist sein Auftreten, seine (Körper-)Sprache, die Mimik und Gestik. Wenn das Gesagte nicht zum Wie-es-gesagt-wird passt, sorgt das für Unklarheit und Unsicherheit bei den Athleten. Die Methoden müssen zur Trainerpersönlichkeit, zur Situation und zum Para Sportler passen und insgesamt stimmig sein.

Trainer und Sportler
Ein gemeinsames Ziel im Blick. Trainer und Athletin. Bild: R. Kiefer

Routinen und Methodenreichtum aus Erfahrung sind ebenso wichtig wie die Offenheit, immer wieder neue Methoden auszuprobieren und Planungen situativ anzupassen. Um den Methodenreichtum auch nutzen zu können ist eine gute Planung notwendig. Schwellenpädagogik mit der zufälligen Wahl von Übungen unmittelbar vor Ort führt zu geringerer Variation, mangelnder Progression und größeren Stand- und Wartezeiten. Die organisationsbedingten Stand- und Wartezeiten sollten möglichst maximal zehn Prozent der Trainingszeit ausmachen. Nur mit einer ausreichenden Planung kann situativ und individuell das Training sinnvoll gestaltet werden.
Pläne mit einem soliden sportwissenschaftlichen Fundament werden in der Regel für die ganze Saison, für Monate, Wochen und einzelne Einheiten erstellt und dienen auch der Dokumentation.
In der Trainerausbildung finden zahlreiche Prüfungslehrproben statt. Im Folgenden ist eine beispielhafte Kategorisierung für die Benotung solcher Lehrproben dargestellt. Sie zeigt die geforderten Kompetenzen eines Trainers während einer Einheit aus einer weiteren Perspektive.

1. Trainingsinhalte        

  • Erfassung des Themas – Worum geht es?          
  • Aufbau (Methodik): Start - Weg - Ziel    

2. Trainingsgestaltung  

  • Organisationsformen sowie Geländewahl und deren Ausnutzung          
  • Geringe Standzeiten
  • Sicherheit         

3. Verhalten der Lehrperson     

  • Übersicht und Souveränität
  • Konstruktives Feedback
  • Funktionale Lernatmosphäre   

4. Informationsvermittlung       

  • Präzision der Sprache
  • Redezeit
  • Fachkompetenz            

5. Demonstrationskönnen        

  • Zielführende Differenzierung von Bewegungen
  • Lernfördernder Demonstrationseinsatz

Mögliche Kriterien für Lehrproben in der Ausbildung.

Für manche Trainer stellen Teammeetings eine besondere Herausforderung dar. Wichtig für diese Meetings ist es, immer das Ziel des Meetings im Blick zu haben, und zwar davor und währenddessen. Teil dieses Ziels kann es sein, dass das Team in eine bestimmte Richtung beeinflusst, ein gemeinsames Verständnis für eine Sache geschaffen oder eine Reflexion um einen Sachverhalt angestoßen werden soll.
Wichtig ist Klarheit im Sinne von Eindeutigkeit im Inhalt wie im Auftritt sowie Verständlichkeit, um das gemeinsame Vertrauen und Selbstvertrauen zu stärken. Besonders unmittelbar vor Wettkämpfen ist dies enorm wichtig. Teammeetings haben einen besonderen Einfluss auf die Struktur und folglich auf die Kultur der Mannschaft. Dieses Beispiel von Führung hat direkten Einfluss auf die Trainingsqualität.

„Wenn du kalt duschen willst, dann fang mit dem Kopf an.“ (Bernd Joschke)