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Biathlon
Schießtechnik
Die Themen dieser Seite:
- Schießen mit dem Luftgewehr, Klassen Standing und Sitting
- Schießen mit dem Luftgewehr, Klasse: Vision Impaired
- Übungen für das Schießen
- Interview mit Rolf Nuber, Bundestrainer Schießen
Ziel des Schießtrainings ist es, die schießtechnischen Fertigkeiten ohne und mit physischer Vorbelastung stabil und auf hohem Niveau abrufbar zu machen. Die quantitativen, aber vor allem auch die qualitativen Anforderungen des Biathlonschießens, sollen breit gefächerten Fertigkeiten der Para Sportlerinnen und Para Sportlern in den relevanten Bereichen des inneren und äußeren Anschlages gegenüberstehen.
Die Situation im Wettkampf am Schießstand. Bild: R. Kuckuck
Zu Beginn der Schießausbildung ist insbesondere eine ausführliche, theoretische und rechtliche Unterweisung notwendig. Für ein adäquates Verhalten mit den Gewehren und am Schießstand ist die Kenntnis der Rechtslage erforderlich. Die Sportgeräte selbst und auch der Ausübungsort Schießstand fallen in den Bereich des Waffenrechts. So ist beispielsweise bei der Nutzung von Lasergewehren außerhalb von Schießständen eine neonfarbene Markierung des Gewehrs und Kenntlichmachung der Situation als Sporttraining notwendig, damit sie von sportfremden Personen als Sportgerät erkannt werden kann. Aus Sicherheitsgründen, um die Gewehre nicht zu beschädigen, für eine geeignete Lagerung, den Transport, die Handhabung und eine ausführliche Unterweisung ist ggf. eine Aufsicht mit Waffensachkundenachweis (oder Jugendbasislizenz) notwendig, um mit dem Training beginnen zu können.
Zusätzlich sind folgende allgemeine Inhalte relevant:
- Funktion und Aufbau des Gewehrs und des Standes
- Abbau des Standes, Reinigung und Pflege des Gewehres
- Wettkampfregeln
Grundsätzlich ist zu Beginn das Grundlagenschießen zentral. Das Komplexschießen baut auf dieser Basis auf und dient der Umsetzung der erlernten Kompetenzen im Umgang mit dem Gewehr am Schießstand (Knut Kuvås Brevik, 2018).
Der volle Fokus auf die Wahrnehmung der relevanten Informationen steht im Zentrum der Grundlagen einer optimalen Schießtechnik. Die Ablenkungen können vielseitig sein, sollen aber zu anderen Zeitpunkten, außerhalb des Trainings und Wettkampfes, ihre Aufmerksamkeit bekommen.
Der Fokus auf konkrete Arbeitsaufgaben und klare Zielbilder ist grundlegend für gute und stabile Schießergebnisse.
Sei zentriert statt zerstreut.
Damit dies möglich wird, sind allgemeine, gut ausgebildete, konditionelle Voraussetzungen wichtig für das optimale Belastungslevel bei der komplexen Schießleistung und eine hohe Konzentrationsfähigkeit, die aus einer steuerbaren und situativ gesteuerten Belastung resultiert.
Unter diesen Rahmenbedingungen können die schießtechnischen Fertigkeiten optimal angewendet werden. Je schneller, stabiler und routinierter die Standardabläufe des Schießens durch regelmäßiges Grundlagen- und Trockentraining abrufbar sind, desto weniger muss aktiv über sie nachgedacht werden. Ziel ist es, automatisierte Abläufe für alle relevanten Situationen jederzeit abrufbar durch qualitativ hochwertiges und häufiges Training abzubilden. Eine sich ständig realitätsnähernde und detailliertere Bewegungsvorstellung ist dafür notwendig. Sie kann durch spezifisches Bewegungsvorstellungstraining mit Sportpsychologen weiter optimiert werden.
Neben der professionellen Entwicklung einer optimalen Bewegungsvorstellung sind weitere mentale Fertigkeiten hilfreich, um aus den trainierten konditionellen und schießtechnischen Voraussetzungen in der Situation am Schießstand in Training und Wettkampf das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Dazu zählen beispielsweise:
- Die Konzentrationsfähigkeit, welche ebenfalls trainierbar ist
- Die Aktivierungsregulation, sie hilft das richtige individuelle Anspannungslevel zu kennen und situativ zu finden
- Das Zielsetzungstraining, je zielführender, lohnender, messbarer und realistischer Ziele sind, desto weniger führen sie zu Konflikten und unterstützen die Motivation
- Vor- und Nachbereitung des Wettkampfes: Sinnvolle Routinen in der Vor- und Nachbereitung von Wettkämpfen und wichtigen Trainingseinheiten können zu optimierten Abläufen und klareren Wenn-Dann-Strategien führen.
- Der Aufbau von Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserwartung: Zu wissen, was man kann und wie man es situativ erreicht sowie einen Überblick über seine Stärken und Schwächen zu haben, kann zu bestmöglichen Entwicklungen führen.
- Kommunikationsfähigkeiten und die Rollenverteilung im Team: Eine vertrauensvolle und offene Kultur der Kommunikation in der Trainingsgruppe kann zu klareren Rollenverteilungen führen und aufmerksamkeitsfordernden Konflikten vorbeugen.
- Zeitmanagement und Aufmerksamkeitsregulation: Das tägliche Energielevel, das Zeitbudget und die notwendigen täglichen Aufgaben abhängig voneinander im Blick zu haben, kann Problemen durch Zeitdruck, Minderleistungen und anderen aufmerksamkeitsfordernden Belastungen ggf. vorbeugen.
Für das spezifische Training der mentalen Fertigkeiten stehen Kadersportlerinnen und Kadersportler an den Olympiastützpunkten Sportpsychologinnen und Sportpsychologen unterstützend zur Verfügung. Eine grundlegende Kenntnis über die oben genannten Fähigkeiten ist ebenso wichtig wie ihr regelmäßiges Training. Übungen wie Entspannungsverfahren oder Atemtechniken zur Aktivierungsregulation (auch Emotions-, bzw. Stressregulation) können bereits im Grundlagentraining vermittelt werden.
Als situativ zielführende Vorgehensweise am Schießstand hat sich folgendes Schema bewährt, es wiederholt sich immer wieder von neuem.
Das folgende Kapitel erläutert, auf welche Punkte in der Phase des Wahrnehmens zu achten ist und welche Kriterien das zielführende Handeln kennzeichnen.
Technikgrundlagen des Liegendschießens
Schießen am VI-Schießstand Bild: R. Kuckuck.
Der rasche und effiziente Wechsel von intensiver Belastung in einen Zustand relativer Entspannung schafft die Rahmenbedingungen ein optimales Trefferbild zu generieren. Hierbei stehen Präzision und Schnelligkeit als die motorisch-koordinativen Hauptelemente im Vordergrund. Die Schnelligkeit hängt dabei besonders von der Reaktion, dem Gleichgewicht, der Kopplung von Sinneseindruck und Handbewegung sowie dem Rhythmus ab. Für die Präzision sind Gleichgewicht, Differenzierung und Reaktion besonders wichtig. Die Bedeutung des Trockentrainings für die Anschlagsstabilität und damit für die Trefferwahrscheinlichkeit ist hierbei besonders zu betonen (Nitzsche & Böhm, 1998).
So können die leistungsdeterminierenden Faktoren wie die Stabilität der Laufmündungsbewegung, ein hoher Schulterdruck, die posturale Kontrolle und das spezifische Abzugsverhalten zusätzlich zum praktischen Training optimiert werden (Heinrich, 2022).
Atemtechnik
Die Atmung ist nicht nur während einer Schussserie wichtig, sondern auch davor. Sie hat großen Einfluss auf die Entspannung und das Zielbild. Daher muss sie regelmäßig bewusst trainiert werden. Im Rahmen einer konkreten Festlegung des Beginns und Ablaufs des Schießstandanlaufs am jeweiligen Schießstand ist große Aufmerksamkeit auf die Atmung zu richten, da sie die Konzentration unterstützen kann und Einfluss auf den Herzschlag nimmt.
Während des Schießens steht sie in engem Zusammenhang mit der Abzugsphase. Nach dem ca. 80%igen Ausatmen der Lungenluft, hält man die Luft an. Die Restluft, welche ggf. auch behinderungsbedingt nur mit Anstrengung ausgeatmet werden kann, verbleibt in der Lunge. Wichtig ist, bei jedem Schuss ungefähr dieselbe Restluft übrig zu lassen, um den Rhythmus und das Trefferbild nicht zu verändern (K. Kuvås Brevik, 2018).
Liegendanschlag
Der Liegendanschlag soll durch die geschickte Verwendung der Bodenkontaktpunkte an Oberkörper und Armen das Gewehr mit dem Körper optimal stützen. Dabei soll das Gewehr auch beim Zielen jederzeit unter ruhiger Kontrolle sein mit geringstmöglicher allgemeiner Muskelanstrengung und hohem Druck auf der Schulter. Durch die körperlichen Unterschiede der Athletinnen und Athleten ist beispielsweise die Rücken- und Kopfposition am Gewehr individuell sehr unterschiedlich. Ziel ist eine möglichst entspannte Position, ein innerer Anschlag, der die volle Konzentration auf die Schussabläufe möglich macht. Die Gewehrposition in diesem Zustand mit Ausrichtung auf ein Ziel nennt man Nullpunkt. Dieser sollte sich durch Atmung und Abzug beim Schießen auf ein Ziel nicht bzw. nur geringstmöglich verändern, dasselbe gilt beim Schießen auf 5 Scheiben.
Der Liegendanschlag wird optimalerweise so eingenommen bei dem Betreten der Matte, dass er kaum verändert werden muss. Wenn das Gewehr gereicht wird, oder der Guide den Sporttreibenden zur Matte führt, sind folglich auch die Helfenden in der Verantwortung.
Abzugstechnik
Der Abzug als früh zu erlernende und grundlegende Komponente des Schussablaufs steht in engem Zusammenhang mit Atem- und Zieltechnik. Er besteht aus Vorzug (1), Abzug (2), und Nachhalten (3). Die graue Line zeigt den Atemverlauf.
Zieltechnik
Bei der Zieltechnik geht es darum die Zieleinrichtungen zueinander zu zentrieren. Der Korntunnel soll mittig im Diopter liegen und die Scheibe mittig im Ringkorn. Dies ist nur im ersten der folgenden Bilder zu sehen. Besonders für Anfänger ist die rasche und präzise Kopplung von Zielbild und optimaler Abzugstechnik zentral.
Sportlerinnen und Sportler mit einer Bewegungseinschränkung oder Amputation in den oberen Extremitäten verwenden prinzipiell die gleichen Gewehre, dürfen aber einen T-förmigen Federständer als Gewehrauflage benutzen, wenn das Gewehr nicht mit eigener Kraft gehalten werden kann.
Liegendschießen mit Federständer. Bild: R. Kiefer.
Das Gewehr wird für Schlittenfahrende gereicht. Sprechen ist nicht erlaubt. Bild: R. Kuckuck.
Die Matte wird im individuellen Winkel angefahren. Bild: M. Volkmann / DBS.
Schlittenfahrende haben oftmals einen sehr individuellen ersten Mattenkontakt mit Kippbewegungen und -Winkeln der Schlitten, die ihren Behinderungen angepasst sind.
Abzug und Repetierhebel des Luftgewehres. Bild: R. Kiefer.
Lasergewehre am Schießstand. Bild: O. Kremer
Zieltechnik
Athletinnen und Athleten mit Sehbehinderung zielen mit Hilfe akustischer Signale und deren Intensität. Je höher der Ton, desto näher ist der Athlet der Zielmitte. In diesem Link z.B. ab 4:23:00 finden Sie einige Eindrücke aus dem Wettkampf und auch den Ton im Verlauf des Schießens.
Kopfhörer und Schießriemen (zwischen Oberarm und Handgelenk) im Einsatz. Bild: R. Kiefer.
Schießriemen zur Stabilisierung. Bild: R. Kiefer.
Teile der Ausrüstung für das Biathlon Training. Bild: J. Recktenwald.
Repetierhebel des Laser Gewehrs. Bild: R. Kiefer.
Schießriemen lösen, Matte verlassen und bereit machen die Stöcke wieder entgegenzunehmen. Bild: R. Kuckuck.
Beim VI-Schießen ist im Bereich des Zielens befindet sich der größte Unterschied zu den sehenden Para Sportlerinnen und Para Sportlern. Hier gilt es neben dem Schießtraining am B-Stand sich am besten täglich die entscheidenden Töne konzentriert anzuhören und durch Vorstellungs- und Trockentraining die Ablaufgeschwindigkeit und -qualität zu optimieren.
Was denkst Du überrascht Trainer*innen am meisten, wenn sie das erste Mal mit Para-Sportlerinnen und -Sportlern arbeiten?
Oftmals überrascht mich die Klarheit im Entschluss und der Wille von vielen Sportler*innen in der Sportart, die ausgesucht worden ist, große Erfolge zu erzielen. Außerdem überraschend ist die Unbekümmertheit auf der einen Seite, aber auch die fehlende Vorstellung von den geforderten Bewegungsabläufen auf der anderen Seite.
Was unterscheidet einen erfahrenen Trainer von einem Anfänger im Bereich Para-Sport?
Durch die verschiedenen Handicaps/Behinderungen von den einzelnen Sportlerinnen und Sportlern, ist Erfahrung von großer Bedeutung. Hospitationen bei erfahrenen Trainerinnen und Trainiern helfen. Die individuelle Einstellung auf jeden einzelnen Athleten und je Athletin ist wichtig. Sie erfordert Gelassenheit, Geduld und Einfühlungsvermögen.
Welche Bedeutung hat der Fleiß und der Wille zur Verbesserung?
Bei Para-Sportler*innen ist der Fleiß und der vollkommene Wille sowie die Motivation von täglichem Training in jeglicher Art von großer Bedeutung, wenn das Leistungsgefüge ganz oben angesiedelt werden soll. Aber auch das Talent ist ein wichtiger Faktor sowie das technische Verständnis.
Weiter ist ein einheitlicher, gemeinsamer Prozess von Erziehung und Ausbildung in allen Altersklassen zur sportlichen Vervollkommnung im Laufen und Schießen wichtig
Durch welche Hinweise in Bezug auf die Trainingsqualität kann der Fleiß effizient genutzt werden im Sinne der Leistungsentwicklung?
Trainingsquantität und -qualität war schon immer der wichtigste Ansatz zur Leistungsentwicklung. Regelmäßige Aufzeichnungen, Trainingssteuerung sowie die Mitbestimmung, das Mit-Entscheiden der Athlet*innen bzgl. ihrer Weiterentwicklung erhöhen das Verständnis und die Zufriedenheit.
Wie kann bei regelmäßigem Training die Freude am Training und am jeweiligen Treffer aufrechterhalten bleiben?
Es sind mehrere Faktoren, die zu gewünschten Trainingseffekten führen, also zur Voraussetzung der Leistungssteigerung und der Freude daran.
1. Belastungsabstimmung (in möglichst kleinen Schritten)
2. Trainingseffekte sichtbar machen durch Tests/auch spielerisch in Kleingruppen
3. Übung der Selbsteinschätzung der Leistungssteigerung (Prognosetraining).
4. Ein sichtbar und spürbar motiviertes Umfeld von Trainer*innen, Betreuer*innen und Trainingspartner*innen
5. Technikbetontes, individuelles Arbeiten
Welche Technikdetails sind bei Sitzer*innen besonders zu beachten?
Die Technik im Liegendanschlag sollte von Anfang an bestimmt/erforscht werden, was für jeden einzelnen Sportler individuell sein wird. Dabei ist es wichtig, dass die Liegeposition schmerzfrei ist. Der richtig passende Schlitten muss gefunden werden. Die Handhabung der Stöcke beim Liegendschießen muss ausgetestet werden.
Welche Übungen sind für Sehbeeinträchtigte und Blinde besonders geeignet?
Wir unterscheiden die Orientierungsregulation und die Ausführungsregulation beim wichtigen Erlernen der gewünschten Zieltechnik. Hierbei ist speziell das An- und Ablaufen am Schießstand mit am besten immer dem gleichen Begleitläufer wichtig.
Allgemein sind es die Bewegungswahrnehmung, Bewegungsvorstellung (z.B. mit ruhigen Bewegungen das Gewehr aus der Halterung in den Anschlag nehmen) und das Bewegungsgefühl, die es zu entwickeln gilt. Aus Erfahrung ist Letzteres bei Blinden sehr schnell umsetzbar.
Weiter erfordert die Orientierungsregulation Denk- und Entscheidungsfähigkeiten (taktisches Denken & ein gutes motorisches Gedächtnis).
Die Ausführungsregulation erfordert speziell Rhythmisierungsfähigkeit, motorische Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sowie Korrekturfähigkeit
Welche Bedeutung hat die Atmung?
Die Atmung und die Fähigkeit sie zu regulieren unter hoher Belastung haben eine entscheidende Bedeutung für die Treffer bzw. Fehleranzahl. Im Idealfall ist nach jedem Ausatmen und Atemstopp der Schütze/die Schützin im Ziel und drückt ab. Erfahrungsbedingt ist es beim Blindenschießen, das über das Gehör funktioniert, bzgl. Atmung etwas komplexer. Grundsätzlich ist bei jedem Sportler die beste Atemfindung, zu erforschen (Pulssteuerung) und regelmäßig zu trainieren.
Welche Bedeutung hat die Konzentrationsfähigkeit?
Biathlonsport ist von psychischen Leistungsvoraussetzungen abhängig um stabil und treffsicher zu sein/werden. Hierbei können Entspannungsverfahren und allgemeine Konzentrationsübungen helfen die Bewegungswahrnehmung durch Bewegungsvorstellung zu verbessern. Auch das Bewegungsgefühl und somit vielfältige Bewegungserfahrungen können durch diverse Konzentrationsübungen den Bewegungsablauf unter hohen psychischen Belastungen (besonders am Schießstand) verbessern.
Warum ist das Trockentraining so wichtig?
Es ist ein Selbstmotivierungstraining. Im Biathlonschießtraining haben sowohl die Schnelligkeit, als auch die Genauigkeit der Handlungsausführung einen zentralen Stellenwert. Dies kann (und sollte) täglich (30min) in einem geschlossenen Raum ausgeführt werden (ohne oder auch mit Belastung). Dabei sind die Konzentration und Motivation die wichtigsten Voraussetzungen neben der Kleidung wie im Training/Wettkampf.