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Biathlon

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Training als Lernraum

So wie auch jeder aufmerksame Lehrende immer etwas für sich lernt, sind die beiden Begriffe Lehre und Lernen schon im Wortursprung eng verbunden. Die Didaktik beschäftigt sich mit den Fragen des „Was“ und des „Warum“, also mit Inhalt und Zielen. Warum es oftmals Sinn macht mit dem „Warum“ zu starten, ist hier in diesem TED Talk auf Youtube zu sehen:

Der ebenfalls aus dem Griechischen stammende Begriff „Methodik“ beschreibt den systematischen Aufbau und die Verfahrensregeln eines planmäßigen Vorgehens, also das „Wie“, die Übungen und Methoden. Methodik und Didaktik stehen in Wechselbeziehung zueinander. Einige konkrete Überlegungen in Bezug auf die Anwendung in unserer Sportart Para Ski Nordisch sind Folgende:
Begegnet man als Trainer im Skilanglauf oder Biathlon einer Anfrage eines behinderten Kindes oder eines möglichen Quereinsteigers am Training teilnehmen zu dürfen, empfiehlt sich beispielsweise ein Vorgespräch mit ihm und ggf. den Eltern um den Rahmen zu beschreiben, bevor es zum Training eingeladen wird. So können die wichtigsten Fragen im Vorfeld geklärt werden. Das Thema Behinderung soll dabei weder zu stark fokussiert, noch negiert werden.
Ein gelingender Erstkontakt ist entscheidend für das Onboarding eines möglicherweise neuen Mitgliedes der Trainingsgruppe, damit die Integration in die Gruppe stattfinden kann und sowohl die behinderungsspezifischen Handlungsbegrenzungen als auch die organisatorischen Besonderheiten beachtet werden können. Der allgemeine Informationsaustausch besonders in Bezug auf sensible Informationen sollte (ggf. mit Schweigepflicht) besprochen werden. Die Bedürfnisse des Athleten sollten mit den Anforderungen des Trainerteams abgeglichen werden. Offenheit ist hier entscheidend. So kann ein sicheres Lernumfeld garantiert werden und sich eine gute Zusammenarbeit entwickeln.
Handelt es sich um einen Para Sportler mit Sehbehinderung oder Blindheit, ist die Kommunikation an die Bedürfnisse anzupassen, denn Informationen aus Mimik und Gestik sind reduziert. Beispielsweise bei der Aufnahme eines Gesprächs ist sicherzustellen, dass der Para Sportler, weiß wer gerade spricht und dass er als Adressat gemeint ist, dazu kann der Name genannt werden. Auch bei Erklärungen sind Zusätze und Rückfragen wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden. Ein Begleitläufer ist eine zusätzliche Unterstützung und kann ggf. vermitteln.
Der Sport kann Inspirationen schaffen, die ein ganzes Leben lang wirken. Entscheidend ist die Freude an der Bewegung und die daraus resultierende intrinsische Motivation zur ständigen Verbesserung. Das heißt nicht, dass Training zu jeder Zeit Spaß machen muss. Manchmal darf der Fokus auch mehr auf Zufriedenheit oder Genugtuung nach dem Training liegen. Para Ski Nordisch ist eine Ausdauersportart unter freiem Himmel, d.h. es sind auch harte Einheiten bei schlechtem Wetter üblich. Die Natur an sich dient auch als Lernraum. Es ist eine Sportart, bei der es das Ziel ist, sich zusammen als Team ständig weiter zu entwickeln und zu verbessern (Sandbakk et al., 2017).

Weiterentwicklung zusammen
Gemeinsame Freude am Sport. Bild: R. Kiefer

Dies sollte in einem abwechslungsreichen, immer wieder neuen Rahmen von Methoden geschehen, um immer wieder neue Resonanzen im Sinne von Bedeutung und Herausforderung hervorzurufen ohne jedoch zu Verunsicherungen zu führen. Bei aller Struktur sollte es immer wieder die Möglichkeit für die Athleten geben, eigene Ziele und Aufgaben zu wählen.
Trainer sollten nicht nur beobachten und bewerten, sondern auch situativ pro-soziales Verhalten, Einsatz und das Lernen durch Fehler mündlich unterstützen. Konkretes, individuelles Feedback ist hierbei besonders relevant.

Immer wieder berichten Trainer von Problemen im Umgang mit Erfolg und Misserfolg. Sportler haben unterschiedliche Attributionsstrategien. Stabil oder variabel verorten sie die Ursachen für Erfolg oder Niederlage in Ihrer Person oder in der Umwelt. Es erscheint von großer Bedeutung, auch im Umgang mit den Erwartungen, kurz- und langfristige Ziele zu setzen, richtig zu definieren und auf hilfreiche Attributionen zu achten. Auch Misserfolge beinhalten wichtige Lernchancen, oftmals schärfen sie die Aufmerksamkeit.
Der häufige, im professionellen Bereich oft tägliche, Kontakt macht aus Trainern wichtige Bezugspersonen für die Sporttreibenden sowohl in sportlichen als auch in nicht-sportlichen Belangen. Gute Trainer schaffen auch hierfür einen sicheren Rahmen. In solch einem Rahmen kann sich der Athlet (störungsfrei) physisch, motorisch, psychisch und sozial entwickeln.

Kein Para Sportler soll sich situativ oder aufgrund zu häufiger oder zu hoher Beanspruchung verletzen oder erkranken. Im Bereich der psychischen Sicherheit wird von staatlicher Seite zunehmend Handlungsbedarf gesehen.
Trainer sind gleichzeitig Begleiter und Teil von Entwicklungsprozessen. Sie benötigen neben dem eigenen körperlichen und seelischen Gleichgewicht auch soziale, emotionale und geistige Flexibilität. Eine gewisse Berührbarkeit durch Details oder Situationen ist notwendig. Trainer sollten nicht überschwemmbar von Daten oder Emotionen sein. Das Gespür dafür, wann in Bezug auf Daten und Emotionen genauer hingesehen werden muss und wann der Überblick wichtiger ist, muss entwickelt werden. Auch hierfür sollte Raum vorgesehen sein, um auf Dauer erfolgreich zu sein, denn auch eine notwendige hohe Präsenz und Aufmerksamkeit, das Einfühlungsvermögen und die eigene Intuition bilden sich zurück, wenn die regelmäßige Übung fehlt (Huber, 2019).

Nur so können Entwicklungschancen oder -probleme frühzeitig erkannt und behoben werden, denn ähnlich einem Eisberg, der nur zu 10% über Wasser sichtbar ist, ist nur ein geringer Teil unserer Wahrnehmung und damit unserer Information über Prozesse bewusst. Oftmals werden in der Literatur bis zu über 90% für den Anteil unbewusster Vorgänge angegeben (Kiesel, 2020).
Die gewünschte Entwicklung eines Athleten hin zu einer gewissen Mündigkeit und Selbstständigkeit erfordert einen ständigen Wechsel zwischen den Polen der Wissensvermittlung und der direkten Entwicklung, zwischen Fragen stellen und Antworten geben, zwischen logischer Erklärung und emotionaler Sensibilität, zwischen Dienen und Bestimmen, zwischen Begleiten und Wegweisen oder auch zwischen systemischem, dynamischem Geschehen lassen und linearem, strukturellen Aufbau.
Trainer haben Kraft ihres Amtes automatisch eine Machtposition. Sie können zukunftsrelevante Entscheidungen treffen, sie können Druck ausüben. Um zu wirken, benötigen Trainer zudem Autorität, welche erarbeitet werden muss. Zusätzlich verleiht die Authentizität, entstehend durch die eingenommene Rolle, Persönlichkeit, Fachwissen und Haltung den Trainingsmethoden eine hohe Wirksamkeit durch höchste Glaubwürdigkeit.
Ein funktionales, wirkungsvolles Feedback ist ohne Autorität genauso wenig möglich wie eine gemeinsame Vision mit kurz-, mittel- und langfristigen lohnenden Zielen - die Grundlage für emotionale und motivationale Resonanz und Leistungsentwicklung (Huber, 2019).

Das gegenseitige Hineinversetzen in seinen Gegenüber kann durch die unterschiedlichen Erfahrungen mit ggf. eigenen oder fremden Behinderungen erschwert sein und erfordert besondere Aufmerksamkeit, Vertrauen und Verständnis. In diesem Kontext sind auch die teilweise großen Altersunterschiede in Trainingsgruppen des Behindertensportes zu nennen.
Für eine hohe und zweckmäßige Aktivität und Qualität im Training sind Trainingspartner wichtig. Durch sie gibt es mehr Vielfalt in den Übungen. Die Athleten können sich austauschen, sich gegenseitig fordern, voneinander lernen, sich gegenseitig Feedback geben. Kein Athlet ist den anderen in allen Bereichen überlegen.
Der Erfolg des Einzelnen ist immer abhängig davon, wie gut die Trainingsgruppe funktioniert und welche Kultur in ihr gelebt wird. Die Trainingsgruppe funktioniert gut, wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt. Dieses Wertebewusstsein und klare Gruppenregeln sollten so früh wie möglich vermittelt werden. Es muss immer Raum für ausführliche und ehrliche Rückmeldungen geben (Sandbakk et al., 2017).

Feedback annehmen
Feedback geben und nehmen beim Training. Bild: R. Kiefer

Die drei Siebe für eine gelingende Kommunikation nach Sokrates:
Wahrheit, Güte, Notwendigkeit (Stangl, 2023)

Erfolgreiche Trainingsgruppen zeichnen sich immer auch durch eine gelungene, ausgewogene Kommunikation und Zusammenarbeit von Trainer, Umfeld und Athlet aus.
Für die notwendige Kontinuität im Trainingsprozess über Jahre sollten sich die Athleten an wenige, ausgesuchte Schlüsselpersonen halten. So kann der rote Faden des Trainings behalten werden. Neue Trainer sollten sich ein genaues Bild des Unterstützungssystems des Athleten machen und sich über den Trainingshintergrund sowie über seine Stärken und Schwächen einen Überblick verschaffen.
Je mehr Trainingsjahre ein Athlet hat, desto mehr rücken Ergebnisziele in den Vordergrund. Prozessziele in der eigenen Entwicklung, unabhängig von den Wettkampfresultaten, sind jedoch zu jeder Zeit wichtig. Auch für jedes einzelne Training sind klare Zielstellungen wichtig, um die Qualität zu gewährleisten. Die besten Para Para Sportler zeichnen sich dadurch aus, dass sie Verantwortung für ihre eigene Entwicklung übernehmen und sowohl bei den Zielsetzungen vor dem Training als auch bei der Evaluation des erwarteten Fortschritts konsequent und ehrlich zu sich sind. Ein guter Trainer fördert die Athletinnen und Athleten in dieser Entwicklung. Der wahrgenommene Einfluss des Athleten auf den Trainingsprozess und das -ergebnis fördert die Motivation und erhöht auch die Planungsqualität dadurch, dass nur der Athlet selbst seinen Körper spürt und seine Gesamtbelastbarkeit kennt bzw. Schritt für Schritt kennenlernt (Sandbakk et al., 2017).

miteinander

Beispiel einer Basics-Checkliste für das Training

  • Bin ich verständlich als Trainer? Sprache, Dialekt, Fachbegriffe?
  • Einen Rahmen von Vertrauen und Sicherheit schaffen
  • Auftrag mit Teilnehmenden klären (Fragen der TN, Dauer, Erwartungen…)?
  • Gesundheitscheck machen (insb. Gelenk- & Herz-Kreislauf-Info einfordern)
  • Materialcheck (insb. Stöcke, Bindungen)
  • Erste Hilfe Set und Smartphone mitführen
  • Geländesicherheit prüfen
  • Anzahl im Blick behalten
  • Gruppen im Gelände führen mit Start- und Schlussläufer und Sichtkontakt
  • FIS-Regeln einhalten ist Pflicht
  • Start & Ende zeitlich unmissverständlich kommunizieren
  • Info über weitere Einheiten, Stand im Jahresverlauf
  • Bei Unklarheiten: Nachfragen!
  • bei Vorfällen: Unfallprotokoll ausfüllen
  • Rahmen schaffen, dass Menschen innerlich und äußerlich in Bewegung kommen

"Educating the mind without educating the heart is no education at all." - Aristoteles