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Training mit Sehbehinderung

Es gibt verschiedene Grade von Sehbehinderungen bis hin zur Erblindung. Der Grad der Anpassung der Übungsauswahl im Training kann somit stark variieren und ist z. B. auch von der Lichtsituation (wenig Licht, grelles Licht etc.) abhängig, die je nach Sehbehinderung unterschiedlichen Einfluss haben kann. Gute und deutliche verbale Kommunikation gewinnt somit an Bedeutung, da der non-verbale Aspekt der Kommunikation verringert ist. So ist es für diese Athletinnen und Athleten besonders wichtig, schon bei der Ansprache sicher zu stellen, dass sie wissen, dass und wer mit ihnen spricht. Ein sicherer Rahmen und eine gewohnte Umgebung sind hilfreich. 

Einen Simulator für verschiedene Formen von Sehbehinderungen finden Sie unter https://www.absv.de/sehbehinderungs-simulator

Die folgende Broschüre von Herman van Dyck des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) vermittelt anhand vieler Beispiele zahlreiche Ratschläge für den Umgang mit blinden Menschen: https://www.dbsv.org/broschueren.html?file=files/ueber-dbsv/publikationen/broschueren/Nicht-so-sondern-so_barrierefrei%202020.pdf&cid=2798

Brillen zur Simulation

Simulationsbrillen zur Simulation eines Sehvermögens von 10% (links), einer Makula Degeneration (Mitte) und eines Tunnelblicks/Retinopathia Pigmentosa (RP) sind eine Hilfe zur Selbsterfahrung für Trainerinnen und Trainer und Guide vom Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (www.bbsb.org), Foto: R. Kiefer.

Ein Guide, dem der Athlet Vertrauen schenkt, ist auch für die technische Entwicklung von großer Bedeutung. Neben einem guten Körpergefühl und der Beherrschung der verschiedenen Teiltechniken der klassischen und freien Technik, wird der Guide benötigt, um blinden und sehbehinderten Athletinnen und Athleten Richtung, Gelände- und Schneeveränderungen, Teiltechniken, Rhythmus und Gefahrenpunkte zu verbalisieren – als Teilersatz für die fehlende visuelle Sinnesinformation.
Blinde und Sehbehinderte laufen auch im Wettkampf mit Guide. Dieser muss viel kommunizieren und auch sehr gut einschätzen können, welche Hinweise situativ die wichtigsten sind. Je höher der Grad der Erblindung, desto größer ist hier die Verantwortung. Dies erfordert eine hohe Konzentration und ein vertrauensvolle Beziehung. Ein gutes Guide-Feedback gibt den Athletinnen und Athleten mit Sehbehinderung oder Blindheit Sicherheit und ermöglicht ein technisches sauberes Laufen. Der Guide sollte unbedingt in das regelmäßige Techniktraining mit einbezogen werden, da er im Training und im Wettkampf die Ausführung der Technik kontrollieren und ggf. korrigieren kann. In schnellen, unübersichtlichen und gefährlichen Abfahrten fährt das Team im Duo am Stock.

Abfahrt mit Guide

„Der blinde Sportler und der Guide sind ein Team, das sehr gut aufeinander abgestimmt und ein sehr großes gegenseitiges, im wörtlichen Sinne „blindes Vertrauen“ haben muss. Der Guide läuft vor dem Blinden und gibt Kommandos, die u. a. Richtung und Geschwindigkeit vorgeben, z. B. ein rhythmisches, sich wiederholendes „Hopp… hopp… hopp“. Um schnell und technisch gut zu laufen, benötigt ein Sehbehinderter die Sicherheit, dass er nicht in eine Gefahr kommt z. B. Sturz oder Zusammenstoß mit einem Hindernis. Auch deshalb läuft der Guide vorneweg.“ (Zipfel, 2021); Bild: R. Kiefer

Kommandos über Richtungswechsel wie Kurven und Abbiegungen werden über das Modell einer Uhrzeit angegeben. Die Angaben sind abhängig von der Kurve an sich, ihrer Beschaffenheit und von der Geschwindigkeit:

  • 12 Uhr bedeutet gerade aus, wird aber meistens nur einmal angesagt und dann mit „Hopp“ angegeben, solange die Strecke gerade ist.
  • 1 Uhr gibt eine leichte Rechtskurve, 2 Uhr und 3 Uhr schärfere Rechtskurven an
  • Für Linkskurven gilt sinngemäß 11 Uhr, bzw. 10 und 9 Uhr

Zur doppelten Absicherung für den Athleten kann noch „links 11 Uhr“ und die letzten Meter bis zum Einlaufen in die Kurve im Countdown „3-2-1“ angeben werden. Wenn mehrere Läuferinnen und Läufer mit Guide auf dem gleichen Streckenabschnitt unterwegs sind, kann zur Sicherheit der Name zusätzlich zum Kommando genannt werden, um Missverständnisse zu vermeiden.

Richtungsangaben a la UhrzeitRichtungsansagen nach Uhrzeiten, Bild: R. Kiefer.

Die Kommandos werden über ein Lautsprechersystem verstärkt, welches auf dem Rücken des Guides getragen wird.

Lautsprechersystem

Guide mit Lautsprechersystem (Zipfel, 2021).

Jedes Team entwickelt seine eigene Sprache, um Kommandos kurz und treffend mitzuteilen. Dazu braucht es eine lange und trainingsintensive Zeit, speziell in den sportartspezifischen Trainingseinheiten wie z. B. Skilanglauf oder Skirollern (Zipfel, 2021).

Anfahrt zum Schießstand

Besondere Koordination und Präzision, unterstützt durch taktile Hinweise, sind notwendig bei der Anfahrt zum Schießstand, damit Athletinnen und Athleten im richtigen Winkel zur Waffe die liegende Position zum Schießen einnehmen können. Bild: R. Kiefer.

Gliederpuppe

Bewegungen nachvollziehen mit der Gliederpuppe, Foto: U. Zipfel.

Tipps zur Technik

Kreative non-visuelle, taktile und verbale Technikvermittlung

Tipps von Johanna
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Tipps von Johanna

Johanna Recktenwald gibt aus ihrer Erfahrung Hinweise, was für Sehbehinderte und Blinde wichtig ist für den Einstieg in das Training:

Johanna Recktenwald (Jahrgang 2001) kommt aus Marpingen im Saarland und startet in der Klasse B2.
Sie appelliert an die gegenseitige Offenheit von Trainerinnen und Trainern und Sporttreibenden. Sie rät dazu sich Zeit für ein ausführliches Kennenlerngespräch vor dem ersten Training zu nehmen, bei dem Nachfragen und das Äußern von Unsicherheiten erwünscht sind.

Dinge, die Thema im Gespräch sein können:

  • Was geht gut alleine?
  • Wobei wird Hilfe benötigt?
  • Ist noch ein Sehrest vorhanden, wenn ja, wie viel?
  • Was kannst du erkennen?
  • Seit wann liegt die Sehbehinderung vor? (visuelles Lernen, bis wann?)
  • Welche Rolle spielen Kontraste und Lichtverhältnisse?
  • Welche praktischen Vorerfahrungen im Sport und Bewegung liegen vor?
  • Brauchst du für irgendwas mehr Zeit?
  • Kannst du Videomaterial erkennen und wenn ja, wie groß müsste das Display sein? (Smartphone, Tablet, Fernseher)
  • Wie ist es mit Verschriftlichungen (Ausdruck/digital, Word/Excel/PDF)?
  • Welche Wünsche und Vorstellungen hast du in Bezug auf das zukünftige Training und den Umgang mit deiner Behinderung?
  • Gruppe vorher informieren oder selbst vorstellen?
  • Gibt es sonst noch etwas zu beachten?
  • Gelände ausführlich zeigen / Strecken gemeinsam ablaufen / auf besondere Hindernisse hinweisen
  • Dritte bei der Vorstellung selbst sprechen lassen (dass die Stimmen zugeordnet werden können)
  • Sportlerin und Sportler mit Namen ansprechen (dass diese sich auch angesprochen fühlen)
  • Trainingsanweisungen / Technikhinweise eher verbalisieren / erklären anstatt vormachen
  • Die Trainingsgruppe sollte regelmäßig über Sehbehinderung informiert / erinnert / hingewiesen werden (v.a., wenn es nicht so sehr auffällt, wird es oft vergessen)
    Das Training ist zu Beginn ggf. auch ohne Guide möglich (wenn es möglich ist, in der Gruppe mitzulaufen) ansonsten sollte der Trainer einen “Trainingsguide“ aus der Gruppe bestimmen oder es meldet sich jemand freiwillig
  • Sensibilisierungsübungen für Trainerinnen und Trainer sowie Trainingsgruppe zum besseren gegenseitigen Verständnis sind z. B.:
  • Gleichgewicht mit geschlossen Augen
  • mit Simulationsbrille oder Augenklappe laufen

Johanna betont die Wichtigkeit aufmerksam und rücksichtsvoll zu sein, viel zu kommunizieren, die Sicherheit der Sportlerinnen und Sportler im Blick zu haben, aber sich gleichzeitig auch nicht zu viele Gedanken zu machen. Ein normales Miteinander zeigt schnell, dass Berührungsängste nicht notwendig sind und Inklusion einfacher gelingen kann, als oftmals befürchtet!