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Para
Langlauf

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Aufbau- & Anschlusstraining / Trainiere um zu konkurrieren (16-19 Jahre)

Das Juniorenalter wird von vielen als die bedeutsamste Phase auf dem Weg an die Spitze bezeichnet. Die Umfänge und Intensitäten nehmen weiter zu und durch den spürbar hohen Gesamtumfang spielt auch der professionelle Lebensstil eine immer wichtigere Rolle. Das Training wird komplexer, die Trainingssteuerung wichtiger. Der anaerobe Stoffwechselprozess ist postpubertär nun ausgereifter und kann mit Trainingsreizen stärker optimiert werden als in den Phasen zuvor. Im Zentrum steht weiterhin die Steigerung der aeroben Ausdauerleistung mit einer effektiven, vortriebswirksamen Technik, die in langen wie in kurzen Rennformaten so lange wie möglich aufrechterhalten werden kann. Die Steigerung der absoluten (VO2max) in der relativen (%VO2max) Sauerstoffaufnahmekapazität sind folglich maßgeblich. Hiermit verbunden ist auch eine rasche Erholungsfähigkeit (Sandbakk et al., 2017).

Da die Technikvervollkommnung nie abgeschlossen ist und die Sportart Para Ski Nordisch auch in Zukunft technischen Veränderungen unterliegen kann, ist das bei Sportlern geschaffene Bewegungsgefühl und -verständnis von entscheidender Bedeutung, um im weiteren Verlauf erfolgreich Lern- und Umlernprozesse zu bewältigen.

Die Perfektionierung der Techniken und Grundfähigkeiten des allgemeinen Krafttrainings nimmt eine besondere Stellung im Aufbautraining ein. Mit fortschreitender körperlicher Reifung der Para Athletinnen und Para Athleten sowie der Notwendigkeit höherer Belastungen wird die Steigerung der Bewegungsqualität der Übungsausführung immer wichtiger.

Das Krafttraining ist durch konkrete Zielstellungen inhaltlich ausgerichtet. Es soll prophylaktisch zur Vorbeugung von Verletzungen und Dysbalancen wirken sowie die allgemeine Stabilität fördern zur effizienteren Kraftübertragung im Körper und optimaler technischer Ausführung der Zieltechniken auf dem Ski. Ferner soll es das Maximalkrafttraining vorbereiten und infolgedessen die Kraftausdauer- und ebenso die Schnellkraftausdauerleitung der vortriebswirksamen Muskulatur verbessern. Durch periodisierte zunehmende Spezifizierung der muskulären Reize im Krafttraining soll erst das Anschluss- und dann das Hochleistungstraining vorbereitet werden.
Die Beibehaltung eines großen Umfanges von allgemein gerichteten Trainingseinheiten wird von Jahr zu Jahr mit immer mehr spezifischen und intensiven Trainingseinheiten ergänzt. So steigt der Gesamtumfang und mit ihm die Leistungsfähigkeit von Jahr zu Jahr an. Regelmäßige Leistungsdiagnostiken sind nun notwendige Maßnahmen.

Übergang

Vielfältige Wettkampferfahrungen sind wichtig für die Entwicklung in dieser Phase voller Übergänge. Bild: R. Kuckuck.
 

Psychologische und soziale Entwicklungsschritte

Um das 16. Lebensjahr herum sind die Dropoutraten sportartübergreifend am höchsten. Veränderte schulische Anforderungen oder berufliche, aber auch private Interessen konkurrieren nun immer stärker mit dem Sport, der seinerseits immer mehr Umfänge einfordert. Durch die Mehrfachbelastungen und den Einfluss der unterschiedlichen sozialen Gruppen der verschiedenen Lebenswelten Para Sportler kommt der sich immer mehr festigenden Persönlichkeit des Jugendlichen eine zunehmende Bedeutung zu. Unterstützt wird diese Entwicklung durch positive Erfahrungen im und durch den Sport, durch realistische Zielsetzungen, eine gesunde Trainer-Athlet-Beziehung, ein förderliches Klima in der Mannschaft/Trainingsgruppe und durch die Förderung der Vorfreude auf Erfolg im Gegensatz zur Angst vor Misserfolg. Die große Mehrzahl der Medaillengewinner sind hautsächlich getrieben durch die Vorfreude auf Erfolg (Wörz & Lecheler, 2012).

Nach dem Wollen kommt das Handeln, man spricht von der Volition als Umsetzungskompetenz (hier zur Belastungsverarbeitung), die es ermöglicht, gegen interne und externe Widerstände wie Ängste, Ablenkungen, Verletzungen oder verspätete Entwicklung gesetzter Ziele anzugehen. Während man in jungen Jahren vielleicht zufällig zum Sport kommt, entscheidet man sich spätestens in dieser Phase bewusst für den Sport und ggf. auch notwendigerweise gegen andere konkurrierende Dinge der Lebenswelt.

Die Förderung von selbstbewusstem Auftreten im Gleichgewicht mit natürlicher Demut, kann im Falle von Sieg oder Niederlage in den nun häufigen Wettkämpfen zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen. Auch Parametern wie das Durchsetzungsvermögen oder der Umgang mit zunehmenden Erwartungen des Umfeldes werden dadurch beeinflusst. Kritische Fragen zwischen Athleten, Trainern und Umfeld sollten nicht nur gestellt, sondern auch angenommen werden. Gegenseitiges Vertrauen, Respekt und Loyalität sind entscheidend für eine Kultur der Weiterentwicklung. Manchmal muss die Zeit und der Raum für ehrliche Rückmeldungen mit Blickkontakt erst geschaffen werden.

Zudem sollte der Austausch von Informationen und Techniken reibungslos sein. Die Trainierenden unterstützen sich gegenseitig in der Trainingsgruppe. Das Wissen über die wichtigsten Trainingsprinzipien, aber auch über Ernährung und Erholung, wächst mit der Kommunikation darüber und mit der Erfahrung.
Wie realitätsnah sind die Erwartungen der Para Sportler und des Umfeldes? Werden Ergebnisse aus Wettkämpfen überbewertet? Hierauf sollte geachtet und ggf. unterstützend eingewirkt werden, z. B. durch die Hinweise zu den individuellen Entwicklungsprozessen, die es neben den Ergebnissen gibt. Geduld ist weiterhin die Schlüsselkompetenz im langfristigen Aufbau von Leistung, zur Freude am Sport, um gesund zu bleiben, ein Übertraining zu vermeiden und um die spätere Trainierbarkeit auf immer höherem Level sicher zu stellen.

Für den Alltag brauchen Jugendliche in diesem Alter ein Verständnis und ein Gefühl dafür, ob und wann Multitasking Sinn macht und wann dadurch Fehler passieren oder die Qualität der Tätigkeit darunter leidet. Beispielsweise sollte beim Essen der alleinige Fokus auf dem Essen oder bei einem Gespräch nur auf dem Gespräch liegen. Ein sinnvolles individuelles Zeitmanagement wird in diesem Alter erwartet, das Setzen von klaren Prioritäten wird wichtiger. Das reine Zeitmanagement weicht im Altersverlauf durch die zunehmenden Belastungen im Sport und im Alltag mehr und mehr einem sehr individuellen Energiemanagement.
Durch den höheren Anteil von längerem und intensiverem Training wird auch die Vorbereitung auf das Training immer wichtiger. Der Grad der Erholung sollte angemessen sein, das Richtige sollte zur richtigen Zeit gegessen werden und auch die mentale Vorbereitung wird nun immer bedeutsamer. Es muss sichergestellt werden, dass beim Training nicht nur der Körper, sondern auch der Geist mit voller Aufmerksamkeit vor Ort ist.

Auch in diesem Alter spielen Vorbilder eine Rolle. Die Laufzeiten und die Art des Trainings der weltbesten Athleten sollten bekannt sein. Ebenso sollte neben dem zukünftigen Ziel auch das Trainingsziel der jeweiligen Einheit jederzeit klar sein und auch der Weg dahin. Auch die Athleten sind in der Verantwortung die Stand- und Ablenkungszeiten im Training so gering wie möglich zu halten. Para Sportlerinne und Para Sportler wünschen sich alters- und leistungshomogenes und auch ein geschlechtsübergreifendes Training. Wenn es die Rahmenbedingungen hergeben kann darauf eventuell auch disziplinübergreifend eingegangen werden. Entscheidend ist die Kontinuität und der rote Faden in den Trainingsphasen und das Wissen der Para Sportler darüber (Kunter & Trautwein, 2013).

Jedes spezifische Training muss auch ein bewusstes Techniktraining sein. Auch beim schneelosen Training ist diese geistige Technikbrille wichtig. Skinah zu trainieren, was bedeutet im Geiste nah an der Bewegung auf Ski zu sein, ist ein wichtiges Merkmal der Trainingsqualität. Der Para Nachwuchssportler muss dies verinnerlichen und sowohl die Ausrüstung als auch die Technik- und Geländewahl so anpassen, dass die Bewegungen mit hoher technischer Qualität skinah ausgeführt werden können und trotzdem die Pulsbereiche eingehalten werden. Besonders bei intensiven Einheiten ist es entscheidend, dass auch noch in den letzten Wiederholungen eine hohe technische Qualität erkennbar ist. Es gilt dabei immer einen Weg zu finden, die Lockerheit der Bewegungsausführung nicht zu lange zu verlieren. Bei ruhigen Einheiten ist es ebenso wichtig, auf die Zieltechnik fokussiert zu sein, diese so gut wie möglich umzusetzen und selbständig immer wieder Technikübungen einzubauen (Schwirtz et al., 2010).

Neben den psychologischen Fähigkeiten um den Wettkampf herum, wie der Vorbereitung und dem Umgang mit den Ergebnissen, sind es zunehmend auch die technisch-taktischen Fähigkeiten im Wettkampf selbst, die in dieser Phase, unterstützt durch sportpsychologisches Training und Gespräche mit erfahrenen Trainern und Trainingspartnern, geschult werden müssen. In Bezug auf die Einteilung des Rennens, Technikwahl, Übergänge, Taktik am Schießstand etc. sollten verschiedene mentale Drehbücher vorliegen und auch die folgenden Fragen sollten geklärt sein: Wie und aufgrund welcher Informationen treffe ich Entscheidungen? Wie reagiere ich flexibel auf unerwartete Situationen im Wettkampf? Das Training in allen möglichen Bedingungen soll helfen, diese Fragen gut beantworten zu können.
Die Para Sportler kennen nun ihr optimales Anspannungslevel für eine hohe Leistung und wissen, wie sie Anspannung und Entspannung generieren können, je nach Situation der Vorstartphase. Das Verhältnis von Nervosität und Leistung ist weitestgehend geklärt und unter Kontrolle. Ebenso herrscht Klarheit über den Zusammenhang von negativen und positiven Gedanken auf den Körperausdruck, die Körpersprache und die Leistung (im Amerikanischen wird von gigo gesprochen - garbage in -> garbage out) (USOPC, 2021).

Eine konstruktive Fehlerkultur ist wichtig für die Entwicklung. Auf die ebenfalls lernbedeutende Funktion von Fehlern und Misserfolgen als Leistungsreserve kann immer wieder hingewiesen werden. Durch sie kann der Fokus verändert und ggf. können hilfreiche Details erkannt und verändert werden.
Zu wissen, was wirklich wichtig ist und was nicht, wird allgemein immer wichtiger, um erfolgreich zu sein. Es geht dabei nicht nur um die Faktoren, die die Leistung verbessern, sondern auch um solche, die sie gefährden. Im speziellen Bezug zur Vorstellungsfähigkeit von Bewegungen in Wettkampfsituationen werden immer differenziertere und gleichzeitig attraktive Bilder in der Vorstellung benötigt, um sie einerseits geordnet und mit Detailblick trainieren zu können und sie auch unter Druck so präsent zu haben, dass andere Vorstellungen keine Chance haben, das Bewusstsein zu dominieren. Das Einblenden dieser Zieltechniken ist besser geeignet für eine Topleistung als ein Ausblenden von unerwünschten Situationen. Das Bewegungsvorstellungstraining benötigt von nun auch immer wieder Videosequenzen aus verschiedenen Perspektiven und eine Stoppuhr, um den zeitlichen Verlauf der Vorstellung an die Realität anzugleichen sowie eine ständige hilfreiche Unzufriedenheit mit dem imaginierten Verlauf in Bezug auf Details, Farben, Geräusche und Gefühle.

So gestaltet sich das psychologische Training in dieser Phase auf den verschiedenen Ebenen des Ichs (durch Wissens-, Zeitmanagement, Selbstführung, Vorstellungstraining), des Dus (im Sinne von Feedback- und Kritikfähigkeit) und des Wirs (in Bezug auf Kooperation und Fairplay). Die Förderung der Handlungskontrolle auf diesen Ebenen und die Unterstützung der allgemeinen psychischen Belastbarkeit sind wichtige Handlungsfelder sozialkompetenter Trainer, die die Athleten in die Phase des Anschluss- und Hochleistungstrainings führen.