Para Schwimmen

Para
Schwimmen

Etwa 24 Minuten Lesedauer
Titel Frontend

Amputation & Dysmelie

Unter Amputation wird die Abtrennung eines Körperteils verstanden und zählt daher zu den erworbenen Gliedmaßdefekten. Im Gegensatz dazu bezeichnet Dysmelie das angeborene Fehlen von Gliedmaßen oder deren Fehlbildungen. Da sich Amputationen und Dysmelien teilweise im klinischen Bild gleichen und auch alltags- wie sportpraktische Ableitungen vergleichbar sein können, werden beide Behinderungsformen in diesem Abschnitt zusammen betrachtet.

Amputation allgemein

Derzeit liegen für Deutschland keine Statistiken über die Häufigkeit von Amputationen vor. Oft existieren lediglich Hochrechnungen, die jedoch regional stark schwanken. Im Vergleich zu Amputationen der oberen Gliedmaßen sind die der unteren Extremitäten wesentlich häufiger (ca. 90%). Zum überwiegenden Teil werden Amputationen bei älteren Menschen durchgeführt, deren Ursache in arteriellen Verschlüssen bzw. Mangeldurchblutung liegt. Eine Amputation infolge eines Unfalls, noch dazu bei Kindern oder Jugendlichen, ist im Vergleich zu Amputationen durch eine Erkrankung eher selten.

Es existieren zwei Arten von Amputationen: Zum einen die gelenkerhaltende Amputation und zum anderen die sogenannte Exartikulation, bei der die Abtrennung von Gliedmaßen im Gelenk erfolgt. Je rumpfnäher die Amputation ist, desto größer ist die funktionelle Beeinträchtigung, was auch maßgeblichen Einfluss auf die Klassifizierung von Schwimmerinnen und Schwimmern hat. Bei der Amputation wird stets versucht erhaltend einzugreifen, da dabei die Bewegungsmöglichkeiten der Betroffenen deutlich höher sind.

Dysmelie allgemein

Angeborene Fehlbildungen entstehen zu ca. 90 % aufgrund genetischer Faktoren. Die verbleibenden 10 % lassen sich auf äußere Faktoren wie Medikamenteneinnahme[1] oder Virusinfektion der Mutter während der Schwangerschaft zurückführen. Im Einzelfall bleibt die ursächliche Störung aber oft unbekannt (Niethard et al., 2005). Das Ausmaß einer Dysmelie beschränkt sich nicht immer auf einzelne Gliedmaßen bzw. Gliedmaßenabschnitte und kann im Schweregrad der kosmetischen und funktionellen Beeinträchtigung sehr unterschiedlich sein. Es existieren ebenfalls kombinierte Fehlbildungen, die sich gleichzeitig über mehrere Abschnitte ausbreiten. Zudem kann eine Dysmelie beidseitig auftreten. Mit 1,4 Fällen pro 1000 Geburten treten Dysmelien eher selten auf (Schäfer et al., 2018). Eine Vielzahl an Störungsbildern und (seltenen) Syndromen geht dabei mit Dysmelien einher oder ist durch diese gekennzeichnet (vgl. Matussek et al., 2010).

Unterschieden werden transversale und longitudinale Dysmelien. Transversale Dysmelien sind Fehlbildungen, bei denen in der Transversalebene (d.h. horizontal zur Körperlängsachse) Teile der Extremitäten nicht angelegt oder abgeschnürt sind. Hier existieren wiederum drei verschiedene Ausprägungen: Perodaktylie (angeborene Fehlbildung an Fingern oder Zehen), Peromelie (Fehlen des körperfernen Anteils) sowie Amelie (völliges Fehlen einer oder mehrerer Gliedmaßen). Transversale Dysmelien treten überwiegend an den oberen Gliedmaßen auf, gleichen im klinischen Bild einer Amputation und werden daher orthopädisch mit Prothesen und/oder Alltags-Hilfen behandelt.

Longitudinale Dysmelien beschreiben Fehlbildungen entlang der Körperlängsachse. Hierzu gehört bspw. die Ektromelie (auch Meromelie, Fehlen eines Knochenpartners doppelknöchiger Extremitäten z. B. im Unterarm oder Unterschenkel) oder die Phokomelie (auch Robbenärmigkeit/-füßigkeit, Fehlen der langen Röhrenknochen in Armen und/oder Beinen) (Matussek et al., 2010). Die orthopädische Versorgung von longitudinalen Fehlbildungen gestaltet sich deutlich variantenreicher als die von transversalen Fehlbildungen. Hier kommen bevorzugt Orthoprothesen zum Einsatz, die sowohl orthetische als auch prothetische Merkmale umfassen.


[1] Das als Beruhigungsmittel für Schwangere in den 1950er/60er Jahren verkaufte Medikament Contergan führte bspw. weltweit zu zehntausenden Geburten fehlgebildeter Kinder und einer unbekannten Zahl an Totgeburten. Der Skandal rund um das Präparat hatte weltweite Auswirkungen auf den Umgang mit Arzneimittelzulassungen.

Orthese - Prothese - Orthoprothese

Orthesen sind äußerlich am Körper angebrachte orthopädische Hilfsmittel, die Gelenke, Muskeln und Knochen entlasten können. Für Menschen ohne Behinderung sind bekannt aus der Nachbehandlung von Verletzungen oder Operationen, bspw. als stützende Bandage nach einem Eingriff am Knie. Prothesen ersetzen im orthopädischen Sinne nicht mehr vorhandene Gliedmaßen, sodass eine Funktionsfähigkeit wiederhergestellt wird. Orthoprothesen unterscheiden sich gegenüber Prothesen darin, dass die Orthoprothese keinen Stumpf aufnimmt, sondern ein vorhandenes Gliedmaß, das in der Regel Fehlbildungen aufweist. Die Orthoprothese erfüllt dann sowohl die Funktionen einer Prothese (bspw. durch einen prothetischen Fuß mit Unterschenkel und Kniegelenk) als auch die einer Orthese (bspw. durch stützende oder korrigierende Eigenschaften am vorhandenen Gliedmaß).

Motorik

Wenn Gliedmaßen aufgrund von Amputation oder Dysmelie fehlen oder funktionseingeschränkt sind, sind die verbleibenden Extremitäten sowie die Rumpffunktion in der Regel unbetroffen und intakt. Ausnahmen können schwere Dysmelien mehrerer/aller Extremitäten und Mehrfachamputationen darstellen.

Die durch die fehlenden Gliedmaßen entstehende körperliche Asymmetrie stellt die gesamte Personengruppe vor eine entscheidende Herausforderung, da hieraus muskuläre Dysbalancen und Veränderungen am passiven Bewegungsapparat entstehen können. Diese Anpassungen stellen Kompensationsmechanismen dar, sind nicht komplett vermeidbar und können weitreichende Einflüsse auf die Funktionsweise des Körpers haben. Kompensationen treten typischerweise auf der gegenüberliegenden Seite auf (vgl. Abb. 5).

Skelettale Veränderungen
Abbildung 5
Skelettale Veränderungen bei fehlendem Bein: Eine starke Verkrümmung der Wirbelsäule (Skoliose) und entgegengesetzt gekippte Stellungen in Hüfte und Schultern sind als Kompensationsmechanismen nicht vermeidbar (Burkett, 2011).

 

Folglich sollte der gesamte Körper einschließlich der ggf. verbleibenden Glieder der betroffenen Extremität/en genutzt und eine möglichst hohe muskuloskelettale Symmetrie erreicht werden, um Balance und Stabilität des Körpers sicherzustellen (Burkett, 2011). Die Möglichkeiten zur Entwicklung der betroffenen Muskulatur können in Abhängigkeit des Grads der Amputation oder Dysmelie sehr unterschiedlich sein. Wenn eine Amputation bspw. durch ein Segment einer Extremität durchgeführt wurde (z. B. unterhalb des Knies) fehlen den verbliebenen Muskeln (hier der Schienbein- und Wadenmuskulatur) die nötigen Verbindungen durch Sehnen, um Kraft zu produzieren. Eine Kräftigung der verbliebenen Muskulatur ist dann nicht möglich und entsprechende Übungen sind ohne Nutzen. Bei einer Amputation durch ein Gelenk können wiederum die nötigen Verbindungen zumindest für Teile der verbliebenen Muskulatur erhalten sein, sodass hier eine Kräftigung möglich bleibt. Wird die Entwicklung dieser trainierbaren Anteile vernachlässigt, kann dies bspw. zu Kontrakturen in der betroffenen Muskulatur führen, welche zusätzliche Funktions- und Bewegungseinschränkungen nach sich ziehen können.

Als vorrangige Aufgabe sollte die umfassende Einbeziehung und Entwicklung der (in der Regel intakten) Rumpfmuskulatur verstanden werden. Dies gilt für Alltagshandlungen wie auch das Training an Land und im Wasser. Insbesondere im Alltag können dabei auch eigentlich zur Unterstützung eingesetzte Hilfsmittel einen gegenteiligen Effekt bewirken: Schlecht eingestellte oder falsch benutzte Prothesen und/oder unzureichende Rehamaßnahmen können bspw. Gangbild und Körperhaltung verschlechtern.

Gangbild und Körperhaltung weisen ohnehin auf Dysbalancen und damit auch mögliche Auswirkungen auf die Bewegungen im Wasser hin. Bei folgenden Beobachtungen ist erwartbar, dass sich asymmetrische Bewegungsmuster bzw. eine asymmetrische Wasserlage einstellen:

  • Fußaufsatz außerhalb der Schulterlinie
  • Als Konsequenz ist bspw. der Beinschlag außerhalb der Schulterlinie
  • Kreuzen der Beine über die Körpermitte
  • Als Konsequenz tritt bspw. Kreuzen der Beine beim Beinschlag auf
  • Schwingen eines Beines außerhalb der Körpermitte
  • Als Konsequenz bspw. schiefe Wasserlage und vergrößerter Frontalwiderstand
  • Schultern nicht in einer Ebene bei fehlendem Unterarm, weil der Stumpf hinter dem Rücken oder mit dem anderen Arm vor dem Körper verdeckt wird
  • als Konsequenz bspw. schiefe Wasserlage und vergrößerter Frontalwiderstand

Diesen und anderen Fehlhaltungen sollte im Training zu jedem Zeitpunkt entgegenarbeitet werden: Schwimmtechnische Ausführungen sollten sich so weit wie möglich an den Leitbildern orientieren und das Einschleifen von Fehlerbildern sollte vermieden werden. Auch bei leichteren Einschränkungen, bspw. dem Fehlen einer Hand oder eines Fußes, wäre es irreführend anzunehmen, dass die Ausbildung des Schwimmers ohne Anpassungen dem Lehrweg von Nichtbehinderten entspricht: Ein Mehraufwand bei der Entwicklung einer stabilen Wasserlage und Balance sollte unbedingt eingeplant werden. Betroffene Schwimmerinnen und Schwimmer können dabei möglicherweise die Erfahrung machen, dass ihre Wasserlage und/oder Schwimmtechnik den Vorgaben entspricht (d.h. bspw. strömungsgünstig ist), obwohl bzw. weil sie ihre an Land erworbenen Fehlhaltungen ins Wasser übertragen. Es sollte daher für regelmäßiges Feedback von außen (verbale Instruktionen und Korrekturen; Videofeedback) gesorgt sein.

Menschen mit Dysmelien sind häufig kompetenter bei der Nutzbarmachung der verbliebenen Funktionen als Menschen die durch Amputation ähnliche Funktionseinbußen erworben haben. Wenn Gliedmaßen von Geburt an fehlen oder funktionell eingeschränkt sind, findet jedes motorische Lernen von Beginn an unter diesen Konstellationen statt, sodass natürlicherweise zielgerichtete Anpassungen und Kompensationen verinnerlicht werden können. Eine mögliche Kompensation kann bspw. die Nutzung der Füße im Alltag als Ersatz für die Hände sein. Hinsichtlich des Bewegungsraums Wasser wird deutlich, dass auch die Auseinandersetzung im Wasser so früh wie möglich erfolgen sollte. Dies betrifft vor allem die allgemeine Anpassung zur Erlangung von Wassergefühl und Wassersicherheit analog zum gesellschaftlichen Auftrag allen Menschen die Teilhabe an Gesundheit und Freizeit durch schwimmerische Kompetenzen zu ermöglichen. Insbesondere im Wasser können Menschen mit schweren Dysmelien Körpererfahrungen sammeln und Fertigkeiten entwickeln, die an Land nicht oder nur sehr schwer umsetzbar wären. Außerdem bietet dieser Bewegungsraum eine ideale Umgebung, um gezielt mögliche Dysbalancen auszugleichen und den gesamten Körper ausdauernd zu fordern.

Für Menschen mit Amputation, deren Funktionsverluste im Verlauf des Lebens geschahen, ist die Anpassung an die neuen motorischen Voraussetzungen ungleich schwerer. Wenn z. B. im Alltag die Füße als Ersatz für die Hände benutzt werden sollen, fehlt zunächst die nötige Beweglichkeit. Zielgerichtete Anpassungen und das nötige Training hierfür sind aber möglich und dauern entsprechend länger. Dies gilt auch für den Aufenthalt im Wasser und schwimmerische Fertigkeiten, die schon vor der Amputation erlernt wurden und nun unter veränderten Bedingungen erfahren werden müssen. Durch die fehlende Körpersymmetrie und damit verbundene Veränderungen der Auftriebswirkung müssen Balance und Wasserlage erst wieder hergestellt werden. Der Weg hierzu erfolgt entsprechend den ersten Schritten der Grundausbildung bzw. des Schwimmenlernens mit besonderem Fokus auf die Entwicklung bzw. Wiedererlangung der Grundfertigkeiten, wobei dem Schweben, Gleiten und der Atmung zunächst besondere Beachtung geschenkt werden sollte.

Technik & Training - untere Extremitäten

Zwei Rollstuhlfahrer

 

Sportlerinnen und Sportler mit fehlenden Anteilen der unteren Extremitäten entwickeln naturgemäß einen starken Armzug. Die Entwicklung der Beinarbeit stellt besonders für diese Schwimmerinnen und Schwimmer einen wichtigen Trainingsinhalt dar. Es gilt auch hier zu nutzen, was vorhanden ist, um ein möglichst vielseitiges schwimmerisches Fertigkeitsniveau auszubilden und die beteiligte Muskulatur zu kräftigen. Dies betrifft vor allem die Rumpfmuskulatur, wenn eine Kräftigung der eingeschränkten Beine oder Stümpfe nicht erwartbar ist.

Auch bei schweren Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten kann die Beinarbeit einen lohnenden Beitrag zum Vortrieb beisteuern, was individuell im Trainings- und Übungsprozess festgestellt werden muss. Möglicherweise wird auch kein Vortrieb erzeugt, aber dafür eine stabilere Wasserlage erreicht und Widerstand minimiert. Es ist außerdem zu unterscheiden und abzuwägen, ob die Beinarbeit in den Gesamtbewegungen nur im Training oder auch als Wettkampfform angewendet werden soll. Wird kein Vortrieb, keine bessere Wasserlage erreicht oder sogar zusätzlicher Widerstand erzeugt, macht die Anwendung der Beinarbeit im Wettkampf keinen Sinn. Im Training bleibt ihre Anwendung aber auch dann ein wichtiger Bestandteil und kann durch den Einsatz individueller Hilfsmittel (siehe Abb. 7) unterstützt werden.

Shinfins

Abbildung 7

Die abgebildete Athletin nutzt sogenannte Shinfins, die eigentlich an Fuß und Schienbein platziert werden. Die vorhandenen Befestigungsbändern lassen auch eine Fixierung am Oberschenkel bzw. über dem Knie zu, sodass keine weitere Modifizierung nötig ist und die vortriebswirksame Fläche am kurzen Bein erhöht werden kann (Foto: Dave Denniston).

Wenn im Alltag Orthesen oder Prothesen unterstützend zum Einsatz kommen, muss deren Einbindung in das (Land-)Training bedacht werden. Bei vielen Ausführungen werden keine oder nur wenige Anpassungen des Übungsguts nötig sein (vgl. Abb. 8 & 9). Moderne Prothesen besitzen zudem elektronische und hydraulische Komponenten, die die Funktionen fehlender Gelenke adäquat ersetzen können, sodass das Gangbild von dem eines Menschen ohne Behinderung teils nicht zu unterscheiden ist und für die Nutzerinnen und Nutzer auch bewegungsreiche Lauf- und Spielformen möglich werden können. Das Anlegen einer Prothese kann dabei mit einigem Zeitaufwand verbunden sein, sodass ggf. in der Verbindung von Land- und Wassertraining auf sie verzichtet werden sollte. Nutzerinnen und Nutzer von Prothesen haben dann in der Regel auch alternative Hilfsmittel zur Hand (Rollstuhl, Gehhilfen oder Krücken). Allgemeine ärztliche Vorgaben für das Tragen sind dabei unbedingt vom Sportler bzw. den Eltern oder Sorgeberechtigten einzuholen und umzusetzen: Die Gewöhnung an eine neue Orthese oder Prothese kann für die Nutzerinnen und Nutzer zunächst unangenehm sein und Sportlerinnen und Sportler können dazu neigen, zu vermeiden sie zu tragen. Trainerinnen und Trainer tragen eine Mitverantwortung bei der Umsetzung orthopädischer Maßnahmen (im Trainingsbetrieb und Trainingslagern, aber auch bei gemeinsamen Freizeitaktivitäten des Vereinslebens), auch wenn der Griff zu einfach einsetzbaren Krücken für alle Beteiligten ggf. leichter wäre. Einbeinige Sportlerinnen und Sportler sind bspw. auch mit Krücken sehr mobil und können oft intensiv Fußball spielen oder vergleichbaren Aktivitäten nachgehen. Die damit verbundenen Sprünge des einzelnen Beines können aber auf Dauer zu dessen Überbeanspruchung führen und das häufige Stützen auf die Krücken beansprucht die Muskulatur von Hals- und Schultern stark, was wiederum zu Verkürzungen und Verspannungen führen kann.

Ein Bild, das Person, Sport, Gymnastik enthält.

Automatisch generierte BeschreibungEin Bild, das Boden, Gymnastik, rot enthält.

Automatisch generierte BeschreibungEin Bild, das körperliche Fitness, Balance, Knie, Yoga enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Abbildung 8

Beispielhaft wird eine Sportlerin (Startklasse S10) mit Orthesen zur Unterstützung der Fußgelenke und Unterschenkel (Dysmelie oder Amputation hier nicht ursächlich) gezeigt: Die Orthesen erlauben den Stand in einer gängigen Ausgangsstellung für verschiedene Übungsformen (eigene Aufnahmen).

Ein Bild, das körperliche Fitness, Person, Knie, Balance enthält.

Automatisch generierte BeschreibungEin Bild, das Boden, Person enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Abbildung 9

Der abgebildete Sportler (Startklasse S7) kann im Alltag und Training auf verschiedene Hilfsmittel zurückgreifen, die seine beidseitige Unterschenkelamputation kompensieren. Aber auch ohne jedes Hilfsmittel ist er sehr mobil und kann sich an Land vielseitig betätigen (Fotos: Michael Lapp).

 

Klumpfüße

Schmetterling

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • bei stark eingeschränkter Beweglichkeit (insbesondere fehlender Überstreckung) kann ein größerer Kniewinkel gewählt werden, um die Antriebsleistung zu erhöhen (bei schnellkräftigem Kick am Ende des Abwärtsanteils und ähnlicher Amplitude nach Leitbild)

Rücken

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • bei stark eingeschränkter Beweglichkeit (insbesondere fehlender Überstreckung) kann ein größerer Kniewinkel gewählt werden, um die Antriebsleistung zu erhöhen (bei schnellkräftigem Kick am Ende des Aufwärtsanteils, besonderer Betonung des Abwärtsanteils im gestreckten Bein und ähnlicher Amplitude nach Leitbild)

Brust

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • bei stark eingeschränkter Beweglichkeit (insbesondere fehlender Überstreckung) sollte nur ein kurzes Anfersen bei möglichst kleinem Hüftwinkel erfolgen (Beinschlag wird flacher und schmaler), da kein explosiver Abdruck mit Gleitphase erwartbar ist
  • die Frequenz der Arme sollte dann erhöht werden und kann durch einen ausgeprägteren Hüfteinsatz unterstützt werden (ein aktiver Delfinbeinschlag ist dabei zu vermeiden)
  • die zeitliche Kopplung der Arm- und Beinbewegung bleibt nach Leitbild erhalten
  • die Atmung bei jedem zweiten oder dritten Zyklus kann vorteilhaft sein (Kopf bleibt sonst flach an der Wasseroberfläche)

Kraul

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • bei stark eingeschränkter Beweglichkeit (insbesondere fehlender Überstreckung) kann ein größerer Kniewinkel gewählt werden, um die Antriebsleistung zu erhöhen (bei schnellkräftigem Kick am Ende des Abwärtsanteils und ähnlicher Amplitude nach Leitbild)

 

Hinweis Klumpfuß

Der Klumpfuß gehört zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen bzw. orthopädischen Erkrankungen in Deutschland. Bei 1000 Geburten sind in Deutschland etwa 2 Kinder betroffen (Lichtinger et al., 2012). Ein beidseitiges Auftreten ist dabei nicht selten. Mit der Erkrankung können verschiedene Fehlstellungen des Fußes verbunden sein, die möglichst frühkindlich behandelt werden sollten und dann gute Korrekturaussichten haben. Einschränkungen können dennoch bei der Beweglichkeit des Fußes (bspw. aufgrund von Fixierung des Fußgelenkswinkels) und in der Hüfte verbleiben, welche häufig von Geburt an nicht richtig entwickelt ist. Mit der Fehlstellung ist ebenfalls eine Verkürzung der Achillessehne verbunden, die in der Therapie häufig operativ behandelt werden muss. In der Folge ist die Muskulatur im betroffenen Unterschenkel nur noch eingeschränkt trainierbar und die Wade erscheint typischerweise sehr schmal.

Die Darstellungen zeigen die Fußstellungen eines Sportlers (Startklasse S10) mit Klumpfüßen in Normalstellung, bei maximaler Streckung sowie maximaler Beugung: Die einschränkte Streckfähigkeit ist deutlich zu erkennen. In der Frontalansicht desselben Sportlers wird die schmale Unterschenkelmuskulatur deutlich (eigene Aufnahmen).

Klumpfuss normal

 

Klumpfuss Streckung

 

Klumpfuss Beugung

 

Klumpfuss frontal

Amputation oder Dysmelie eines Fußes oder unterhalb des Knies

Schmetterling

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • Betonung der Einwärtsdrehung des Fußes, um Dysbalance zu vermeiden
  • zur Vorbeugung eines Wechselbeinschlags sollte das voll funktionsfähige Bein mit kleinerem Kick bzw. geringerer Amplitude arbeiten

Rücken

  • keine Abweichungen zum Leitbild
  • vortriebswirksamer Antrieb mit beiden Beinen ist möglich und sollte entwickelt werden
  • bei sehr kurzem Bein/Stumpf sollte der Beinschlag aus dem gestreckten Knie erfolgen

Brust

  • keine Abweichungen zum Leitbild
  • beim Beinschlag ist die gleichzeitige, parallele Ausführung in horizontaler Lage anzustreben

Kraul

  • keine Abweichungen zum Leitbild
  • vortriebswirksamer Antrieb mit beiden Beinen ist möglich und sollte entwickelt werden
  • ein Pendeln, Kreisen oder Schlagen des kurzen Beines/Stumpfes außerhalb der Körpermitte (insbesondere während der Atmung) stellt ein typisches Fehlerbild dar
  • bei sehr kurzem Bein/Stumpf sollte der Beinschlag aus dem gestreckten Knie erfolgen

 

Amputation oder Dysmelie über einem Knie

Schmetterling

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • kraftvoller einbeiniger Kick nach Leitbild
  • Betonung der Einwärtsdrehung des Fußes, um Dysbalance zu vermeiden – eine Führung des Fußes/Beinschlags in Richtung der Körpermitte kann dabei hilfreich sein

Rücken

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • Betonung der Einwärtsdrehung des Fußes, um Dysbalance zu vermeiden – eine Führung des Fußes/Beinschlags in Richtung der Körpermitte kann dabei hilfreich sein
  • Vorteile und Nachteile des Antriebs auf der eingeschränkten Seite müssen abgewogen werden
  • kurzes Bein/Stumpf kann auch nur Balance und Rhythmus dienen, während das voll funktionsfähige Bein für kräftigen Vortrieb nach Leitbild sorgt

Brust

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper nach Leitbild, Anpassungen sind in Abhängigkeit des Beinschlags aber wahrscheinlich
  • bei einbeinigem Beinschlag nach Leitbild ist starke Asymmetrie erwartbar, da ein Widerlager auf der gegenüberliegenden Seite fehlt
    • Schultern und Hüfte kippen zur eingeschränkten Seite
    • Sportler schwimmt im Extremfall bei isoliertem Beinschlag im Kreis oder neigt dazu
  • für stabilere Wasserlage kann das aktive Bein eine eher geradlinige, stoßende Bewegung nach hinten ausführen
    • Führung des Beines möglichst in Körpermitte ohne ausgeprägte Grätsche (Fuß kann aber auswärts gestellt werden) bei möglichst kleiner Beugung in der Hüfte (flacher Beinstoß)
  • bei stoßender Beinbewegung sollte auch die Armbewegung und die zeitliche Kopplung von Arm- und Beinbewegung angepasst werden
    • eher gleichzeitige Ausführung bei hoher Frequenz
    • der Kopf kann für mehrere Zyklen bis zur Atmung im Wasser bleiben
    • breiteres Wasserfassen für stabilere Wasserlage
    • keine Betonung von Gleitphasen

Kraul

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • Betonung der Einwärtsdrehung des Fußes, um Dysbalance zu vermeiden – eine Führung des Fußes/Beinschlags in Richtung der Körpermitte kann dabei hilfreich sein
  • Vorteile und Nachteile des Antriebs auf der eingeschränkten Seite müssen abgewogen werden
  • kurzes Bein/Stumpf kann auch nur für Balance und Rhythmus dienen, während das voll funktionsfähige Bein für kräftigen Vortrieb nach Leitbild sorgt
  • ein Pendeln, Kreisen oder Schlagen des kurzen Beines/Stumpfes außerhalb der Körpermitte (insbesondere während der Atmung) stellt ein typisches Fehlerbild dar

 

Amputation oder Dysmelie beider Füße oder unterhalb der Knie

Schmetterling

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • falls die funktionsfähigen Anteile unterhalb der Knie sehr kurz sind, sollte der Beinschlag mit gestreckten Knien erfolgen (nur aus der Hüfte bei kleiner Amplitude)
  • für die Realisierung hoher Frequenzen kann es hilfreich sein, nur einen aktiven Kick zu setzen (beim Eintauchen oder Ausheben der Arme) oder den Beinschlag nur andeutungsweise auszuführen, wenn
    • aktiver Hüfteinsatz/Undulation für den Rhythmus nach Leitbild ggf. bedeutsamer als Vortrieb der Beine

Rücken

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • falls die funktionsfähigen Anteile unterhalb der Knie sehr kurz sind, sollte der Beinschlag mit gestreckten Knien erfolgen (nur aus der Hüfte bei kleiner Amplitude)

Brust

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • bei fehlenden Füßen oder langen Beinen/Stümpfen kann auch die Beinbewegung nach Leitbild erfolgen und produktiv sein (Unterschenkelschwung)
  • bei sehr kurzen Beinen/Stümpfen kann der Beinschlag aus dem gestreckten Knie erfolgen
    • möglichst flaches Anhocken/wenig Beugung der Hüfte und betont kräftiges Zusammenführen der Oberschenkel (Vortrieb durch Adduktion)
  • Veränderung der zeitlichen Kopplung von Arm- und Beinbewegung hin zu einer eher gleichzeitigen Ausführung in allen Varianten möglich
    • dann auch breiteres Wasserfassen und höhere Frequenz als nach Leitbild
    • der Kopf kann für mehrere Zyklen bis zur Atmung im Wasser bleiben
    • keine Betonung von Gleitphasen

Kraul

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • falls die funktionsfähigen Anteile unterhalb der Knie sehr kurz sind, sollte der Beinschlag mit gestreckten Knien erfolgen (nur aus der Hüfte bei kleiner Amplitude)
  • ein Pendeln, Kreisen oder Schlagen der Beine/Stümpfe außerhalb der Körpermitte (insbesondere während der Atmung) stellt ein typisches Fehlerbild dar

 

Amputation oder Dysmelie oberhalb beider Knie

Schmetterling

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • Vortrieb der Beine minimal erwartbar
    • angedeuteter Beinschlag sollte aber ausgeführt werden, um die kontinuierliche, wellenförmige Körperbewegung zu unterstützen

Rücken

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • ein Beinschlag nach Leitbild würde nur minimalen oder keinen Vortrieb erzeugen, ein stabilisierender 2er-Beinschlag kann hilfreich sein
  • klare Abwärts-/Aufwärtsbewegungen der Beine ohne Pendeln, Kreisen oder Schlagen außerhalb der Körpermitte

Brust

  • Bewegungen im Rumpf und Oberkörper nach Leitbild sind möglich, müssen aber wahrscheinlich in Abhängigkeit des Beinschlags angepasst werden
  • Vortrieb der Beine kann nach dem Abspreizen minimal durch das Zusammenführen der Oberschenkel (Adduktion) erreicht werden
    • für den Wettkampf wahrscheinlich nicht produktiv, daher eher Ausführung mit geschleppten Beinen
  • bei geschleppten Beinen eher höhere Frequenz der Arme mit breiterem Wasserfassen
    • zur Frequenzsteigerung kann der Armzug kürzer ausfallen (Ende des Auswärtsanteils deutlich vor den Schultern)
    • der Kopf kann für mehrere Zyklen bis zur Atmung im Wasser bleiben
    • keine Betonung von Gleitphasen
  • bei einer Kopfhaltung nach Leitbild kann der Schwimmer zu „kopflastig“ werden, d.h. die Hüfte würde zu hoch auftreiben und über den Schultern sein
    • ggf. Anpassung der Kopfhaltung mit eher nach vorne gerichtetem Blick, damit Schultern leicht über der Hüfte bleiben
    • aktiver Hüfteinsatz insbesondere bei geschleppten Beinen, wobei aktive Delfinkicks vermieden werden müssen

Kraul

  • Bewegungen in Rumpf und Oberkörper entsprechen dem Leitbild
  • bei einer Kopfhaltung nach Leitbild kann der Schwimmer zu „kopflastig“ werden, d.h. die Hüfte würde zu hoch auftreiben und über den Schultern sein
    • ggf. Anpassung der Kopfhaltung mit eher nach vorne gerichtetem Blick, damit Schultern leicht über der Hüfte bleiben
  • ein Beinschlag nach Leitbild würde nur minimalen oder keinen Vortrieb erzeugen, ein stabilisierender 2er-Beinschlag kann hilfreich sein
  • klare Abwärts-/Aufwärtsbewegungen der Beine ohne Pendeln, Kreisen oder Schlagen außerhalb der Körpermitte

Technik & Training - obere Extremitäten

Obere Extremität

Sportlerinnen und Sportler mit fehlenden Anteilen der oberen Extremitäten werden erwartungsgemäß einen starken Beinschlag entwickeln. Außerdem sind die Unterwasserphasen bei Start und Wende für sie von entscheidender Bedeutung und ideal auszunutzen.

Je nach Ausprägung der Behinderung kann aber auch die Armbewegung einen produktiven Beitrag leisten – entweder für den Vortrieb oder stabilisierend für die Wasserlage. Herausfordernd können asymmetrische Körperproportionen sein, die eine stabile Wasserlage grundsätzlich erschweren. Im Trainingsbetrieb und bei der Technikvermittlung können Paddles, Handbretter etc. hier für einen zielgerichteten Ausgleich sorgen: Auch an kleinsten Armen/Stümpfen können sie befestigt werden, in den Schwimmbewegungen für Stabilität sorgen und zusätzliche konditionelle Reize für die Ausprägung muskulärer Symmetrie liefern.

 

Dysmelie Hilfsmittel

Abbildung 13

Handelsübliche Paddles können in der Regel ohne größere Veränderungen an oberen Extremitäten unterschiedlichster Ausprägung befestigt werden und einen sinnvollen Beitrag im Training leisten. Der Markt bietet verschiedenste Größen und Formen an Paddles. Häufig sind auch innerhalb einer Gruppe bzw. Vereins bereits diverse Modelle vorhanden, sodass das individuell am besten passende Produkt durch Ausprobieren gefunden werden kann (Foto: Jonas Jagdmann).

 

Amputation oder Dysmelie einer Hand oder unterhalb des Ellenbogens

Schmetterling

  • keine Abweichungen zum Leitbild
  • besondere Bedeutung des Unterarmes (Ellenbogen-Vorhalte) für den Vortrieb bei fehlender Hand
  • bei sehr kurzem Arm/Stumpf kann der Zug mit gestrecktem Ellenbogen ohne Ellenbogen-Vorhalte vorteilhafter sein
  • Wasserfassen und Zugphase der Hand können dabei etwas schmaler ausfallen, um Dysbalance zu vermeiden
  • seitliche Atmung kann hilfreich sein und sollte zur Seite des fehlenden Gliedmaßes erfolgen

Rücken

  • Bewegungen von Rumpf und Beinen entsprechen dem Leitbild
  • besondere Bedeutung des Unterarmes (Ellenbogen-Vorhalte) für den Vortrieb bei fehlender Hand
  • bei sehr kurzem Arm/Stumpf kann der Zug mit gestrecktem Ellenbogen ohne Ellenbogen-Vorhalte vorteilhafter sein
  • Rhythmus des Armzugs sollte bei gleichmäßiger Schulterrotation ähnlich dem Leitbild sein – vortriebswirksamere Seite bestimmt den Rhythmus, eingeschränkte Seite ggf. mit Anpassungen

Brust

  • keine Abweichungen zum Leitbild

Kraul

  • Bewegungen von Rumpf und Beinen entsprechen dem Leitbild
  • besondere Bedeutung des Unterarmes (Ellenbogen-Vorhalte) für den Vortrieb bei fehlender Hand
  • bei sehr kurzem Arm/Stumpf kann der Zug mit gestrecktem Ellenbogen ohne Ellenbogen-Vorhalte vorteilhafter sein
  • Rhythmus des Armzugs sollte bei gleichmäßiger Schulterrotation ähnlich dem Leitbild sein – vortriebswirksamere Seite bestimmt den Rhythmus, eingeschränkte Seite ggf. mit Anpassungen
  • Atmung insbesondere beim Erwerb zur eingeschränkten Seite, später auch wechselseitig

 

 

 

 

Abbildung 14

Dargestellt ist ein Sportler mit fehlendem rechten Unterarm aufgrund einer Dysmelie. Das Ellenbogengelenk ist vorhanden und dessen Beugung ist möglich. Züge mit dem gestreckten Arm sind aber effektiver für den Schwimmer, da kaum vortriebswirksame Fläche bei einer Ellenbogenvorhalte generiert wird. In der Rückansicht der Normalhaltung und bei Streckung wird eine leichte Asymmetrie aufgrund der abfallenden, rechten Schulter deutlich. In gestreckter Haltung könnte ein besserer Ausgleich erfolgen, wenn der kurze Arm noch dichter am bzw. hinter dem Kopf geführt wird (gestreckte Haltung der Vorderansicht mit besserer Ausführung) (eigene Aufnahmen).

Amputation oder Dysmelie über einem Ellenbogen

Schmetterling

  • keine Abweichungen zum Leitbild
  • Wasserfassen und Zugphase der Hand können dabei etwas schmaler ausfallen, um Dysbalance zu vermeiden
  • kurzer Arm zieht schneller unter Wasser und schwingt schneller in der Rückholphase, daraus resultiert die Gefahr, dass der wechselseitige Einsatz der Arme ungleichmäßig erfolgt
  • kurzer Arm muss sich Rhythmus der anderen Seite bzw. dem Leitbild anpassen – Zugmuster als wäre Arm komplett (ausreichend lange Vorhalte und Streckung zum Abdruck)
  • seitliche Atmung kann hilfreich sein und sollte zur Seite des fehlenden Gliedmaßes erfolgen
  • mit der entsprechenden Exception kann der eingeschränkte Arm geschleppt (dann seitliche Atmung vorteilhaft) oder in Vorhalte geführt (dann frontale Atmung vorteilhaft) werden

Rücken

  • Bewegungen von Rumpf und Beinen entsprechen dem Leitbild
  • Rhythmus des Armzugs sollte bei gleichmäßiger Schulterrotation ähnlich dem Leitbild sein – vortriebswirksamere Seite bestimmt den Rhythmus, eingeschränkte Seite ggf. mit Anpassungen

Brust

  • keine Abweichungen zum Leitbild
  • bei sehr kurzem Arm/Stumpf kann dieser mit der entsprechenden Exception passiv in der Vorhalte geführt werden

Kraul

  • Bewegungen von Rumpf und Beinen entsprechen dem Leitbild
  • Rhythmus des Armzugs sollte bei gleichmäßiger Schulterrotation ähnlich dem Leitbild sein – vortriebswirksamere Seite bestimmt den Rhythmus, eingeschränkte Seite ggf. mit Anpassungen
  • Atmung insbesondere beim Erwerb zur eingeschränkten Seite, später auch wechselseitig

 

Amputation oder Dysmelie beider Hände oder unterhalb beider Ellenbogen

Schmetterling

  • keine Abweichungen zum Leitbild
  • besondere Bedeutung des Unterarmes (Ellenbogen-Vorhalte) für den Vortrieb bei fehlender Hand
  • bei sehr kurzen Armen/Stümpfen kann der Zug mit gestrecktem Ellenbogen ohne Ellenbogen-Vorhalte vorteilhafter sein

Rücken

  • Bewegungen von Rumpf und Beinen entsprechen dem Leitbild
  • besondere Bedeutung des Unterarmes (Ellenbogen-Vorhalte) für den Vortrieb bei fehlender Hand
  • bei sehr kurzen Armen/Stümpfen kann der Zug mit gestrecktem Ellenbogen ohne Ellenbogen-Vorhalte vorteilhafter sein

Brust

  • keine Abweichungen zum Leitbild

Kraul

  • Bewegungen von Rumpf und Beinen entsprechen dem Leitbild
  • besondere Bedeutung des Unterarmes (Ellenbogen-Vorhalte) für den Vortrieb bei fehlender Hand
  • bei sehr kurzen Armen/Stümpfen kann der Zug mit gestrecktem Ellenbogen ohne Ellenbogen-Vorhalte vorteilhafter sein

 

Amputation oder Dysmelie über beiden Ellenbogen

Schmetterling

  • Bewegungen von Rumpf und Beinen entsprechen dem Leitbild
  • die Arme ziehen schnell unter Wasser und schwingen schnell über Wasser zurück
    • 2er Rhythmus nach Leitbild daher schwierig zu koordinieren und generiert wenig Vortrieb
    • hohe Frequenz der Arme unabhängig vom Beinschlag, wenn kontinuierliche Hüftaktion mit Delfinwelle und Beinschlag sichergestellt sind
    • möglich auch sehr niedrige Frequenz der Arme mit langer Vorhalte und Fokus auf dem Beinschlag (bspw. 8 Kicks pro Armzug)
  • seitliche Atmung wahrscheinlich vorteilhaft, da die Arme nicht mit dem Ausheben zur Atmung unterstützen können
    • bei Einhaltung der Wettkampfbestimmungen auch eine Ausführung auf der Seite denkbar (hier bessere Vortriebsbedingungen für den Beinschlag und erleichterte Atmung), wenn ein Arm komplett fehlt (untenliegend), beide Arme komplett fehlen oder die Arme laut Klassifizierung nicht mitbewegt werden müssen

Rücken

  • Bewegungen von Rumpf und Beinen entsprechen dem Leitbild
  • die Arme ziehen schnell unter Wasser und schwingen schnell über Wasser zurück
    • hohe Frequenz der Arme unabhängig vom Beinschlag, wenn kontinuierlicher Beinschlag und stabile Wasserlage mit ruhiger Kopfhaltung sichergestellt sind
    • möglich auch sehr niedrige Frequenz mit langer Vorhalte im gegengleichen Wechsel mit Fokus auf dem Beinschlag
  • der Brustbeinschlag kann ggf. vortriebswirksamer und über längere Distanzen ökonomischer sein, sodass er anstelle des Wechselbeinschlags in Frage kommt
    • dann möglicherweise günstige Kombination mit den Armen im Gleichschlag

Brust

  • Bewegungen von Rumpf und Beinen entsprechen dem Leitbild
  • volle Ausnutzung des starken Beinschlags, auch wenn die Arme sehr schnell ziehen
    • Betonung von Gleitphasen möglich, dabei Arme in langer Vorhalte
  • möglichst flache Wasserlage anstreben
    • kein aktives Heben des Kopfes, Unterstützung des Armzugs zur Atmung sollte ausreichen
    • Kopf kann für mehrere Zyklen bis zur Atmung im Wasser bleiben
    • seitliche Atmung bei Betonung der Hüftaktion/Undulation kann hilfreich sein (insbesondere, wenn Arme komplett fehlen)

Kraul

  • Bewegungen von Rumpf und Beinen entsprechen dem Leitbild
  • die Arme ziehen schnell unter Wasser und schwingen schnell über Wasser zurück
    • hohe Frequenz der Arme unabhängig vom Beinschlag, wenn kontinuierlicher Beinschlag und stabile Wasserlage mit ruhiger Kopfhaltung sichergestellt sind
    • möglich auch sehr niedrige Frequenz mit langer Vorhalte beider Arme oder im gegengleichen Wechsel mit Fokus auf dem Beinschlag
  • denkbar für kurze Distanzen ist die Ausführung auf der Seite
    • Arme ohne Einsatz oder nur mit dem obenliegenden Arm
    • Beine haben hier bessere Vortriebsbedingungen, entweder als Delfinkicks oder Wechselbeinschlag
  • der Brustbeinschlag in Rückenlage kann ggf. vortriebswirksamer und über längere Distanzen ökonomischer sein, sodass er anstelle des Wechselbeinschlags in Frage kommt
    • dann möglicherweise günstige Kombination mit den Armen im Gleichschlag

Für Schwimmerinnen und Schwimmer, denen keinerlei Anteile der oberen Extremitäten zur Verfügung stehen, kann dies hinsichtlich der Entwicklung effektiver Schwimmbewegungen sogar hilfreich sein: Die Komplexität der Gesamtbewegungen ist so erheblich geringer, da keine Armbewegungen integriert werden müssen. Für Schwimmerinnen und Schwimmer mit sehr kurzen Armen/Stümpfen kann deren Einbindung, bspw. beim Brustschwimmen, nur mit der Minimierung von Widerständen verbunden sein, ohne dass nennenswerter Vortrieb erzeugt wird. Schwimmerinnen und Schwimmer ohne Arme können sich hingegen vollständig auf die Beinbewegung konzentrieren und so hohe Geschwindigkeiten erreichen:

Technik & Training - obere & untere Extremitäten

Für Sportlerinnen und Sportler mit fehlenden Anteilen von oberen wie unteren Extremitäten kann die Entwicklung von produktiven Schwimmbewegungen sehr unterschiedlich sein. In der nachfolgenden Gegenüberstellung sind zur Verdeutlichung beispielhaft zwei Ausprägungen gegenübergestellt: Hier fehlen jeweils die gleichen Gliedmaßenanteile. Durch ihr unterschiedliches Auftreten ergeben sich aber gänzlich verschiedene Voraussetzungen und Vorüberlegungen für die Zielbewegungen.

 

Amputation oder Dysmelie über dem Ellenbogen und unterhalb des Knies

auf der gleichen Seite

auf gegenüberliegenden Seiten

  • extrem hohe Anforderungen an Balance aufgrund der Verteilung der Masse und des wirkenden Auftriebs
  • Ausführungen bei Schmetterlings-, Rücken- und Kraulschwimmtechnik eher effektiv auf der Seite bzw. seitlich gedreht
  • produktives Brustschwimmen stark erschwert (ggf. mit geradlinig stoßender Beinbewegung oder geschleppten Beinen)
  • Gewicht und Auftrieb sind gleichmäßig verteilt, damit ist eine gute Balance möglich
  • Körperposition kann in allen Schwimmarten nach Leitbild gehalten werden
    •  Antriebsbewegungen von Beinen und Armen führen nicht zum Kippen/zur Dysbalance
    • ggf. leichte Anpassungen in Teilbewegungen nötig (bspw. schmaleres Wasserfassen bei Kraul)

 

Diese und die vorangegangen Überlegungen zu einfacheren Ausprägungen von Dysmelie und Amputation haben stets das Fehlen von Gliedmaßen oder deren Anteilen betrachtet. Insbesondere bei Dysmelien können die Ausprägungen aber sehr vielfältig sein, bspw. durch unterschiedlich lange Extremitäten oder Gelenke, die gänzlich fehlen oder in ihren Bewegungsrichtungen ungewöhnlich angelegt sind. Bei der Fülle möglicher Ausprägungen sind allgemeine Empfehlungen daher schwierig zu formulieren. Individuelle Lösungswege müssen daher im Training gefunden werden. Zur Anregung folgen einige Beispiele.

 

Abbildung 15

Die Bildreihe zeigt einen Sportler mit Dysmelien aller vier Extremitäten (Startklasse S2). In normaler Haltung sind starke Fehlstellungen in Hüfte und Schultern erkennbar, die sich aus den unterschiedlichen Arm- und Beinlängen ergeben. Die Entwicklung effizienter Schwimmbewegungen ist entsprechend komplex. Ein Ansatz für diesen Sportler ist der gezielte Einsatz der Beine bzw. dessen Kontrolle: Vortrieb, bspw. beim Kraulschwimmen, wird durch sie nur wenig erzeugt. Ein aktiver Kick lässt die Oberschenkel eher Widerstand erzeugen und bremst den Schwimmer. Eine ruhige, gestreckte Haltung der Beine mit dosierten Kicks (sehr geringe Amplitude) scheint daher zielführender, was gezieltes Training der Rumpfmuskulatur und Grundfertigkeiten nach sich zieht. Der Ausgleich von Dysbalancen im Landtraining ist mit einfachen Mitteln möglich (eigene Aufnahmen).

 

Beispiele aus dem Spitzensport

Gina Boettcher

 

 

Josia TopfGina Böttcher (SC Potsdam) und Josia Topf (SSG 81 Erlangen) gehören zu Deutschlands erfolgreichsten Para Schwimmerinnen und Schwimmern der letzten Jahre. Antretend in den Startklassen S4 bzw. S3 gehören sie zu den Aktiven mit schweren körperlichen Einschränkungen und besonderen Lösungswegen bei der Entwicklung von Schwimmbewegungen.

Gina Böttcher hat eine longitudinale Fehlbildung an allen vier Extremitäten: Arme und Beine sind verkürzt – Unterschenkel und Unterarme fehlen jeweils. Die Füße sind nach hinten gerichtet und ihre Hände haben jeweils vier Finger. In allen Schwimmarten verzichtet sie auf die Beinbewegung und konzentriert sich vollständig auf den Vortrieb der Arme: Ein Einsatz der Beine würde eher Widerstand erzeugen und unnötig Energie verbrauchen. Einzelne Kicks nutzt sie nur nach Start und Wende, um schnell an die Oberfläche zu kommen oder auch gelegentlich zur Stabilisierung der Wasserlage. Ansonsten sind die Prinzipien der Leitbilder auch für sie anwendbar, bspw. die Ellenbogenvorhalte, mit der sie die vortriebswirksame Fläche ihrer Hand optimal einsetzen kann.

Josia Topf hat aufgrund des TAR-Syndroms Fehlbildungen an allen Extremitäten: Seine Beine sind unterschiedlich lang und haben keine Kniegelenke. Ober- und Unterarmknochen fehlen fast vollständig, sodass sich seine Hände knapp unter den Schultern befinden. Aspekte von Leitbildern sind für ihn daher nur sehr begrenzt nutzbar, wohl aber allgemeine Prinzipien zur Bewegung im Wasser: Beim Schmetterlings-, Rücken- und Kraulschwimmen nutzt er im Wettkampf gleichermaßen den vortriebswirksamen Delfinbeinschlag. Eine besonders starke Hüftaktion ermöglicht ihm dabei einen produktiven Kick, obwohl er aufgrund fehlender Kniegelenke aus den gestreckten Beinen arbeiten muss. Bei der Schmetterlings- und Kraulschwimmtechnik kann er diese Vortriebswirkung zusätzlich optimieren, indem er in der Seitlage schwimmt.

(Fotos: Michael Pechtl)