Relevante Aspekte der Trainingswissenschaften
Relevante Aspekte der Trainingswissenschaften
Relevante Aspekte der Trainingswissenschaften
(nach dem Handbuch Rollstuhlbasketball)
Einführung
Unter dem Gegenstand der Trainingswissenschaft wird allgemein das Training verstanden, ein Handlungsfeld in verschiedenen Realisierungsbereichen des Sports, in dem durch eine zielgerichtete, systematisch aufgebaute und organisierte Tätigkeit eine Vervollkommnung bzw. Steigerung der körperlich – motorischen Leistungsfähigkeit und ihrer personalen Voraussetzung angestrebt wird.
Als Training ist nicht nur die Vorbereitung auf sportliche Wettkämpfe im Leistungssport zu verstehen, sondern es findet auch unter anderem im Freizeit- und Gesundheitssport, im Schulsport und im Alterssport statt. Wesentliche Charakteristika dieses sportlichen Handlungsfeldes, worin es sich auch von anderen Handlungsfeldern – trotz nicht zu übersehender Überschneidungen – unterscheidet, sind:
• die rationelle, systematische Einwirkung auf die menschliche Leistungspotenzen durch effektive Maßnahmen, Methoden und Verfahren
• ein hohes Maß an Eigenaktivität und Übungstätigkeit zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit, der Vervollkommnung spezialisierter Tätigkeiten, bzw. der Optimierung von Handlungs- und Verhaltensweisen
DEFINITION VON TRAINING
Als Training werden alle längerfristig planbaren Maßnahmen verstanden, die ein bestimmtes körperliches Ausgangsniveau in allen Altersstufen auf eine höhere Stufe zu heben vermögen, sie erhalten oder wiederherstellen bzw. einen altersbedingten Rückschritt verhindern. (nach Frey & Hildenbrandt).
Zum weiteren Verständnis des Gegenstandes ›Sportliches Training‹ muss aus die wichtigsten Trainingsziele und Ergebnisformen verwiesen werden:
• sportliche Leistungsfähigkeit, sportmotorisches Können als Grundlage höchster Leistungen in speziellen Sportarten bzw. -disziplinen
• körperliche Vollkommenheit
• Fitness, Gesundheit
• Erlebnis, Befriedigung körperlicher und geistig – sozialer Bedürfnisse
DIE SPORTLICHE LEISTUNGSFÄHIGKEIT
Die Leistungsfähigkeit (Synonyma: Leistungsvermögen, Leistungskapazität, Potential) eines Sportlers ist durch die maximal (unter Ausschöpfung aller Reserven) zu realisierende Leistung in bestimmten Sportarten/-disziplinen zu kennzeichnen (Röthig, 1983). Hierzu sind die Faktoren: Persönlichkeit, Taktik, Koordination und Technik, Kondition so wie die Konstitution zu beachten (siehe Abbildung 1).
Als herausragendes Handlungsfeld im Sport kann der Gegenstandsbereich der Trainingswissenschaft vorläufig wie folgt umrissen werden
• Das sportliche Training als aktive, ganzheitliche Tätigkeit des Trainierenden mit dem unmittelbaren oder mittelbaren Ziel, die eigene sportmotorische Leistungsfähigkeit durch solche organisierten Handlungen zu steigern bzw. zu erhalten, die biotische, psychische und darunter besonders motorische Funktionen zu vervollkommnen.
• Das sportliche Training als System, als institutionalisierter Prozess, der langfristig geplant, organisiert und pädagogisch-didaktisch geführt, kontrolliert und reguliert wird durch die Tätigkeit von Trainern, Sportlehrern, Fachübungsleitern, unterstützte von Sportwissenschaftlern, Sportmedizinern und – vor allem im Hochleistungssport – weiteren beteiligten Fachleuten.
• Die sportliche Leistung als Handlung und Handlungsergebnis sowie die sportliche Leistungsfähigkeit, das sportmotorische Können als Ensemble von personalen Leistungsvoraussetzungen, die die wesentlichen Ansatzpunkte des Trainings darstellen.
• Der sportliche Wettkampf als die dem Sport wesenseigene Form des Leistungsvergleichs.

Abb.: Leistungsdiagnostische Verfahren aus den verschiedenen beteiligten Wissenschaftsdisziplinen
SPORTSPIELKTRAININGSTYPEN
Das Wissen um unterschiedliche Trainingsanforderungen der Spieler im Vergleich zu Individualsportlern ist nicht neu. Die Umsetzung allerdings in die Trainingspraxis erfolgt immer noch zögerlich und widersprüchlich. Alle Trainingsinterventionen lassen sich drei Trainingstypen zuordnen:
• Das Komponententraining ist ausgerichtet auf einzelne Leistungskomponenten, die isoliert trainiert werden. Für das Konditionstraining von Spielern bedeutet dies ein isoliertes Training von Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und Beweglichkeit mit ganz gezielten Trainingsinhalten und -methoden ohne Ball.
• Das Komplextraining versucht, mehrere Leistungskomponenten zugleich zu schulen, z.B. in spielnahen Übungs- und Trainingsformen (Drills) sowie in Spielformen im Spielphasentraining mit komplexer Zielrichtung. Ein solches Training kann zugleich technische, taktische und auch konditionelle Trainingswirkung erzielen. Dabei ist es vielseitig und interessant, kann jedoch die Zielrichtung und Trainingswirkung nicht so genau ansteuern wie das Komponententraining. Auch Trainingsspielen mit genauen Aufgabenstellungen gehören im weitesten Sinne zu so einem Komplextraining
• Der komplexeste Trainingstyp ist das Sportspiel als Wettspiel, werden doch hier alle relevanten Leistungskomponenten gleichzeitig unter den Bedingungen des Wettkampfes angesprochen, einschließlich der enorm wichtigen psychischen Faktoren.
Trainingstypen:
• Komponententraining
• Konditionstraining
• Koordinationstraining
• Techniktraining
• Taktiktraining
• psychisches Training
• Komplextraining
• wettspielnahes Training
• Sportspieltraining
• Sportspiel/Wettspiel
Konditionelle und Koordinative Grundlagen
KONDITION
Trainingswissenschaftlich basiert Kondition auf dem Zusammenwirken energetischer Prozesse des Organismus und der Muskulatur im Zusammenhang mit den sie beeinflussenden psychischen Eigenschaften. Kondition zeigt sich als Kraft-, Schnelligkeits-, Ausdauerfähigkeit sowie als Beweglichkeit. Die immer noch anzutreffende Verwendung des Konditionsbegriffs zu Charakterisierung unterschiedlicher Ausdauerleistungsfähigkeiten ist zu eng und somit nicht akzeptabel. Besser beinhaltet der Begriff Athletik die relevanten Leistungsfaktoren.

Konditionsprinzipien Sportliches Training dient der Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Gesundheit des Menschen. (nach Röthig) Dieser Merksatz macht deutlich, dass schon zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit trainiert werden muss. Ist dies nicht der Fall, so bilden sich die konditionellen Fähigkeiten zurück. Das Leistungsvermögen sinkt und damit einher geht eine Beeinträchtigung der Gesundheit. Die Verbesserung der konditionellen Fähigkeiten beruht auf dem Prinzip der Superkompensation (siehe Absatz unter ›Krafttraining‹). Der durch das Training gesetzte Reiz verursacht einen Verbrauch der energieliefernden Substanzen. In der anschließenden Erholungsphase werden die Speicher nicht nur wieder aufgefüllt, sondern um eine Reservekapazität erhöht, diese Reservekapazität ist jedoch sehr gering und nicht messbar. Dieser Mehrausgleich ist mit einer Leistungssteigerung gleichzusetzen, um diese jedoch zu merken bedarf es eines großen Trainingsaufwands. Dabei sollte folgendes berücksichtigt werden:
- Bei Belastung unter 20% der momentanen Leistungsfähigkeit handelt es sich um einen unterschwelligen Reiz und es erfolgt keine Anpassung.
- Zu hohe Reize führen zu Übertraining.
- Richtige Reize führen zur Anpassung.
Faustregel: Geringe Reize bringen nichts, mittlere Reize nützen, große schaden.
In der Trainingspraxis müssen im Hinblick auf eine optimale Anpassung folgende Trainingsprinzipien berücksichtigt werden:
- Prinzip der optimalen Relation von Belastung und Erholung
- Prinzip progressiven und variierenden Belastungen
- Prinzip der Periodisierung
Allgemeine Leistungsfähigkeit
Die Leistungsfähigkeit des Menschen ist von mehreren Fähigkeiten abhängig: a) Von genetischen Voraussetzungen und individuellen Fähigkeiten. b) Von der Schwelle der momentanen Leistungsfähigkeit; beim Untrainierten ca. 70% seiner absoluten Leistungsfähigkeit. c) Der Bereich von 70% der Leistungsfähigkeit ist durch Training bis auf 90% ausbaufähig. Die restlichen 10% sind sogenannte ›Notfallreserven‹ und können nur durch Angst oder ähnliches mobilisiert werden. Dem Trainierten ist es daher möglich, sein vorhandenes Leistungspotential besser auszuschöpfen als dem Untrainierten. Zu Beginn eines Leistungstrainings ist es möglich, ca. 70% seiner derzeitigen maximalen Leistungsfähigkeit zu erbringen. Durch das Training wird eine Erhöhung auf 90% angestrebt. Für einen Leistungszuwachs muss mit mindestens 30% Belastungsintensität trainiert werden.


Abb.: Leistungsfähigkeit
KRAFT
Kraft ist die Fähigkeit des Nerven-Muskelsystems, durch Innervations- und Stoffwechselprozesse Muskelkontraktionen mit mehr als 30% des spezifischen Kraftmaximums durchzuführen und dabei Widerstände zu überwinden, ihnen nachzugeben oder sie zu halten. Grundsätzlich gilt die physikalische Formel:
Kraft (F) = Masse (m) x Beschleunigung (a)
In dieser Definition sind die drei grundsätzlichen Arbeitsweisen der Muskulatur enthalten:
- Überwindend = dynamisch positiv = konzentrisch
- Nachgebend = dynamisch negativ = ex-zentrisch
- Haltend = statisch = isometrisch
Die Kraft der Skelettmuskulatur in ihren sportartspezifischen Erscheinungsweisen ist von folgenden Faktoren abhängig:
- dem Muskelquerschnitt
- dem Muskelfaserspektrum
- der Aktivierung und Koordinierung (intra- und intermuskulären Koordination)
- der Stiffness des tendomuskulären Systems sowie
- der Energiebereitstellung
Physiologische Grundlagen
Die Muskelphysiologie beschäftigt sich mit der Funktionsweise und Versorgung des Muskels. Sie untersucht z.B. den Ablauf der Kontraktionsvorgänge. Hierfür sind genauere Kenntnisse der Histologie erforderlich. Der Muskel ist eine Funktionseinheit, die sich aus einzelnen Fasern aufbaut. Diese sind durch Bindegewebe zu Faserbündeln und diese wiederum zu Muskelfasern zusammengefasst. Die Muskelfasern wiederum bestehen aus vielen Myofibrillen und diese sind unterteilt in Sarcomere. Diese sind in einem System aus Z-Scheiben, Aktin, Myosin und wieder einer Z-Scheibe aufgebaut. Die Muskelfasern gehen an beiden Enden des Muskelbauches in Sehnen über, die dann am Knochen ansetzen. Sehnen stellen also die Verbindung zwischen dem aktiven und dem passiven Bewegungsapparat her. Dies ist die Voraussetzung, dass eine Muskelverkürzung auch die Winkelstellung der Gelenke verändert.
Die messbare Muskelkraft ist direkt proportional zu:
- Muskelquerschnitt (Faserdicke und Faserzahl)
- Verkürzungsgeschwindigkeit
Die Veränderungen des Muskels, die das Krafttraining hervorbringt, beziehen sich erwiesenermaßen auf die Faserverdickung (Hypertrophie), während die Faserzahl nahezu gleichbleibt. In den verdickten Muskelfasern steigt der relative Anteil der kontraktilen Elemente, wodurch die Zugkraft des Muskels vergrößert wird. Krafttraining bewirkt die Verbesserung der Muskelinnervation. So kann sich die Muskulatur schneller verkürzen.

Abb.: Aufbau des Muskels
Der Kraftzuwachs ist geschlechts-, alters- und typabhängig. Aus Gründen, die mit dem Hormonhaushalt zusammenhängen, beträgt die absolute Trainierbarkeit der Muskulatur der Frau nur 50 – 80 % von der des Mannes.
Formen der Muskelarbeit
- Statische Haltearbeit
Ohne sichtbare Muskelverkürzung ist die Spannung im Muskel erhöht, um so zu einer äußeren Gegenkraft das Gleichgewicht zu halten. Man spricht hier von isometrischer Kontraktion.
Statische Muskelarbeit dient der Fixierung bestimmter Körperteile und auch unsere aufrechte Haltung wird dadurch gewährleistet.
- Dynamische Arbeit
Bei der dynamischen Arbeit verkürzt sich der Muskel und die Stellung der Gelenke zueinander wird verändert. Bei dynamischer Kräftigungsübung, wie sie in der Gymnastik vorherrschen, wechseln sich Kontraktion und Erschlaffung ab. Dies hat den Vorteil, dass dadurch die Blutzirkulation und damit die Sauerstoffzufuhr an der arbeitenden Muskulatur zusätzlich angeregt werden. Die aerobe Energiebereitstellung ist somit begünstigt und der Muskel ermüdet nicht so schnell.
Dynamische Muskelarbeit geschieht meist mit auxotonischer Muskelanspannung – einer Mischung ausisotonischer (Muskelverkürzung bei gleichbleibender Spannung) und isometrischer Kontraktion: Dynamische Arbeit kann überwindend und nachgebend geleistet werden.
Zum Beispiel überwindet beim Hochheben der Beine in der Rückenlage die Bauchmuskulatur die Schwerkraft, die die Beine nach unten zieht. Der Muskel verkürzt sich trotz des Widerstandes. Arbeitet der Muskel negativ-dynamisch, gibt er einer größeren Gegenkraft nach und dehnt sich. So z.B. erfolgt bei einem Tiefsprung das Abfangen des Sprunges durch bremsendes Nachgeben in der Beinmuskulatur.
Bedeutung der Kraft für die allgemeine Leistungsfähigkeit:
- Eine geringe Haltekraft der Muskulatur ist die Ursache für Haltungsschwäche, die zu nicht wiedergutzumachenden Schäden führen und schwere Schmerzen hervorrufen können, wenn nicht rechtzeitig ein ausgleichendes Training einsetzt. Ein Beispiel dafür ist der Hohlrücken, dem durch Kräftigung der Bauchmuskulatur entgegengewirkt werden kann.
- Die Muskulatur ist von Fettgewebe umgeben, bei der Frau mehr als beim Mann. Übermäßige Fetteinlagerungen führen aber zur Erschlaffung des Gewebes. Durch Muskeltraining reduziert sich der Fettanteil und das gesamte Gewebe wird gestrafft. Viele Frauen sind auch durch Veranlagung mit Zellulitis – einer Erschlaffung des Oberschenkelgewebes – geplagt. Übungen, die die Beinmuskulatur kräftigen, können Zellulitis nicht beseitigen, aber dennoch merklich verbessern.
- Eine gleichmäßig ausgebildete Muskulatur lässt Bewegungen darüber hinaus kräftig und geschmeidig werden.
Erscheinungsformen der Kraft
Je nach Bewegungsform oder auch Sportart tritt die Kraft in den verschiedensten Erscheinungsformen und Kombinationen auf. Für den Zweck der Trainingsplanung hat man folgende Unterteilung getroffen. Hier die Definitionen:
- Maximalkraft: Maximalkraft ist die höchste Kraft, die das neuromuskuläre System bei maximaler willkürlicher Kontraktion ausüben kann.
- Kraftausdauer:
- Dynamische Kraftausdauer ist die Fähigkeit, Kraftstöße (Impulse) von über 30% der maximalen Kraftstoßhöhe innerhalb eines definierten Zeitraums wiederholen zu können und dabei die Verringerung der Kraftstoßhöhe gering zu halten, sowohl bei zyklischen als auch bei azyklischen Bewegungen. (nach Martin, Carl & Lehnertz)
- Statische Kraftausdauer ist die Fähigkeit, bei einer Muskelspannung von über 30% der statischen Kraft über eine definierte Zeit den Spannungsverlust gering zu halten. (nach Grosser)
- Dynamische Kraftausdauer ist die Fähigkeit, Kraftstöße (Impulse) von über 30% der maximalen Kraftstoßhöhe innerhalb eines definierten Zeitraums wiederholen zu können und dabei die Verringerung der Kraftstoßhöhe gering zu halten, sowohl bei zyklischen als auch bei azyklischen Bewegungen. (nach Martin, Carl & Lehnertz)
- Schnellkraft: Schnellkraft ist die Fähigkeit, optimal schnell Kraft zu bilden. (nach Martin, Karl & Lernitz)
- Reaktivkraft: Reaktivkraft = exzentrisch-konzentrische Schnellkraft bei kürzest möglicher Kopplung (<180ms oder <200 ms) beider Arbeitsphasen, also einem Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus beider Arbeitsphasen, also einem Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus. Reaktivkraft ist jene Muskelleistung, die innerhalb eines Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus einen erhöhten Kraftstoß generiert. Sie ist abhängig von Maximalkraft, Kraftbildungsgeschwindigkeit und reaktiver Spannungsfähigkeit. (nach Martin, Carl & Lehnertz)
- Absolutkraft: Absolutkraft repräsentiert das gesamte vorhandene Potential der Muskelkraft, das heißt der Maximalkraft plus des Kraftdefizits (Differenz aus Absolut- und Maximalkraft). Sie ist willkürlich nicht verfügbar, allenfalls unter extremen Beeinflussungen (Hypnose, Angst, …).
AUSDAUER
Physiologische Grundlagen
Wie lange es dauert, bis der Körper die Arbeit wegen Ermüdung einstellen muss, hängt ab vom Umfang der beanspruchten Muskelmasse. Je mehr Bereiche des Körpers Muskelarbeit verrichten, desto mehr Energie wird benötigt und desto schneller setzt folglich die Ermüdung ein. In der Sportmedizin wird daher nach allgemeiner und lokaler Ausdauerleistung unterschieden. Werden weniger als ein Viertel bis ein Siebtel der Gesamtmuskelmasse ist an der Bewegung beteiligt, wie z.B. beim Schwingen eines Beines, spricht man von lokaler Ausdauerbeanspruchung. Wird mehr als ein Viertel bis ein Siebtel der Gesamtmuskelmasse eingesetzt, handelt es sich um eine allgemeine Ausdauerbeanspruchung, was beispielsweise beim Laufen der Fall ist.
Weg der Energiebereitstellung
Die Energie, die der Muskel zur Kontraktion fordert, kann entweder auf aerobem Weg (d.h. mit Sauerstoff) oder auf anaerobem Weg (d.h. ohne Sauerstoff) freigesetzt werden.
Aerob
In chemischer Reaktion wird aus den im Körper gespeicherten Brennstoffen Glykogen und Fettsäure unter Sauerstoffverbrauch die benötigte Energie gewonnen. Bei vollständig aerober Energiebereitstellung stehen die Sauerstoffzufuhr durch die Atmung und der Sauerstoffbedarf im Gleichgewicht. Man spricht von einem ›Steady-State‹, in dem der Körper lange und ökonomisch arbeiten kann. Der Nachteil dieser Möglichkeit liegt allerdings darin, dass die Reaktionen relativ langsam ablaufen und für einen hohen Energiebedarf nicht ausreichen.
Anaerob
Kann der momentane Energiebedarf nicht auf aeroben Weg gedeckt werden, kann zusätzlich Energie auch ohne Sauerstoff zur Verfügung gestellt werden. In diesem Fall werden die Depots im Muskel unter Energiefreisetzung abgebaut. Vorteilhaft hierbei ist die schnelle energetische Anpassung an einen plötzlich hohen Bedarf. Der Nachteil ist jedoch, dass dieser Weg weniger ökonomisch ist und bei dieser Reaktion Milchsäure (Laktat) anfällt, was auf längere Sicht zur Übersäuerung der Muskulatur und damit zur Ermüdung führt. Die Entscheidung, ob dieser Energiebedarf aerob oder anaerob gedeckt wird, hängt im Wesentlichen von der Intensität der muskulären Beanspruchung ab. Liegt die Intensität im Bereich 70% der maximalen Belastung, sind Zufuhr und Verbrauch noch im Steady-State, d.h., der eingeatmete Sauerstoff ist ausreichend. Wenn die Belastungsintensität über 70% hinausgeht, treten zunehmend die anaeroben Prozesse in Aktion. Je höher die Intensität ansteigt, desto mehr Laktat fällt im Muskel an, was schließlich zum Abbruch der Arbeit zwingt. Bleibt die Belastung jedoch unter dieser aerob-anaeroben Schwelle, so sind es die im Körper begrenzt vorhandenen Brennstoffdepots, die der Dauer der sportlichen Leistung ein Ende setzen. Ein solches ›Aushungern‹ kann bei Langzeitbelastungen wie z.B. beim Marathonlauf beobachtet werden; die Sportler nehmen daher ständig energiereiche Nahrung zu sich. Aufgrund dieser verschiedenen leistungslimitierenden Faktoren kann Ausdauer in folgende Erscheinungsformen unterteilt werden:


In den einzelnen Sportarten treten diese Ausprägungen selten rein auf, sondern sind zu unterschiedlichen Anteilen vertreten. Für Laufdisziplinen wurde ermittelt, dass die Energie je nach Laufdistanz zu unterschiedlichen Teilen aerob bzw. anaerob erbracht wird.
Die prozentuale Verteilung zeigt die folgende Tabelle (nach Suslow):
Laufdistanz 100m 400m 1500m Marathon
aerober Teil 5% 25% 65% 99%
anaerober Teil 95% 75% 35% 1%
Im sportlichen Leistungstraining spielen also alle Formen, ob lokal, allgemein aerob oder anaerob, in jeweils anderer Gewichtung eine Rolle. Je nach Zielsetzung und Sportart kann das Ausdauertraining adäquat gestaltet werden.
Für den Breitensport hat die moderne Sportmedizin in den letzten Jahren besonders das allgemeine aerobe Ausdauertraining als ein wirksames Verfahren zur Vorbeugung gegen Bewegungsmangelkrankheiten hervorgehoben. Bei diesen Belastungsformen werden günstige Anpassungserscheinungen an Herz und Versorgungswege der Muskulatur festgestellt.
Wirkung des allgemeinen aeroben Ausdauertrainings
Das Herz ist ein Hohlmuskel, der sich bei jedem Herzschlag zusammenzieht und das Blut in die Organe und die Muskulatur pumpt. Wie jeder andere Muskel wird auch das Herz durch Blutgefäße – die Herzkranzgefäße – versorgt.
Im normalen Alltag eines untrainierten Menschen schlägt das Herz etwa 60 bis 80 mal pro Minute. Das Herz wird niemals voll ausgelastet und bildet sich folglich zurück. Ein unterentwickeltes Herz ist verstärkt dem Risiko ausgesetzt, dass durch Cholesterinablagerungen die Gefäße verengt werden und die Durchblutung und damit die Sauerstoffversorgung eingeschränkt wird. Die Folge ist der Herzinfarkt – das Absterben ganzer Herzmuskelbezirke. Bei Ausdauerbelastung arbeitet das Herz längere Zeit mit erhöhter Schlagfrequenz. Das Herz wird trainiert und gewinnt an Größe und Fassungsvermögen. Der Blutkreislauf ist der Versorgungsweg, über den Sauerstoff und Nährstoffe zu den Zellen transportiert werden. Die großen, vom Herzen ausgehenden Blutgefäße, die Arterien, verzweigen sich zunehmend in der Körperperipherie zu Arteriolen und Kapillaren, um alle Zellen des Organ- und Muskelgewebes gleichmäßig zu versorgen. Die durch Bewegung hervorgerufene vermehrte Blutzirkulation erhält dieses Kapillarnetz elastisch und fördert die Kapillarneubildung. Regelmäßiges Training verbessert also die Sauerstoffzufuhr des Muskelgewebes. Diese positiven Einflüsse auf das Herzkreislaufsystem kommen in mehreren physiologischen Worten zum Ausdruck.
Durch Training vergrößert sich
- das Schlagvolumen: die Blutmenge, die bei einer Herzkontraktion ausgestoßen wird;
- das Herzminutenvolumen: die Blutmenge, die das Herz pro Minute durch den Körper pumpt.
- die arteriovenöse Sauerstoff-Differenz: der Unterschied im Sauerstoffgehalt zwischen arteriellem und venösem Blut.
Die positiven Auswirkungen auf Herz und Blutkreislauf werden erreicht durch:
- ein allgemeines Ausdauertraining, in dem möglichst große Körperbereiche in die Belastung einbezogen sind.
- ein aerobes Ausdauertraining, in dem die muskuläre Arbeit mit erhöhtem Sauerstoffverbrauch geleistet wird.
Verbessern sich die oben genannten Einflussgrößen, ergibt sich eine bessere maximale Sauerstoffaufnahme. Umgekehrt bedeutet dies, dass bei gleicher Belastung ein ausdauertrainiertes Herz weniger oft schlagen muss, um dieselbe Menge Sauerstoff ausschöpfen zu können. Das heißt, die Pulsfrequenz, also die Anzahl der Herzschläge pro Minute ist niedriger.
Das Herz des Ausdauertrainierten arbeitet demnach ökonomischer bei Ruhe und Belastung
Herzschläge in Ruhe untrainiert trainiert
pro Minute 60 – 80 40 – 60
pro Tag (24 Std.) 100.800 72.000
pro Jahr 38.891.200 26.208.000
Pulsfrequenz Die Pulsfrequenz ist also ein Indikator für den Trainingszustand. Man unterscheidet zwischen Ruhepuls, Belastungspuls und Erholungspuls. Der Ruhepuls kann nach einiger Zeit der Ruhe (ca. 30 Minuten) im Liegen oder Sitzen genommen werden. Den zuverlässigsten Wert erhält man morgens vor dem Aufstehen. Bei Normalpersonen liegt der Ruhepuls bei 60 bis 80 Schlägen pro Minute, bei extremen Ausdauersportlern hingegen, wie Langstreckenläufern oder Radrennfahrern, sind Ruhepulswerte von 30 Schlägen pro Minute gemessen worden.
Der Belastungspuls wird während bzw. sofort nach körperlicher Belastung gemessen. Bei hoher Trainingsintensität liegt die obere Grenze bei etwa 220 minus Lebensalter. Für aerobes Ausdauertraining liegt die trainingseffektive Pulsbelastung bei ca. 70 bis 85% des errechneten Wertes.
Der Erholungspuls wird 3 bis 5 Minuten nach Ende der Belastung genommen. Der Trainingszustand und damit die Erholungsfähigkeit lassen sich an der Differenz zwischen Belastungspuls und Erholungspuls ablesen. Je größer die Differenz innerhalb dieser Zeit, desto besser hat sich der Körper regeneriert.
Wie wird der Puls gemessen?
An zwei Stellen des Körpers kann der Puls leicht und schnell gemessen werden:
- Handgelenk
- Halsschlagader
Mit Zeige- und Mittelfinger (nicht mit dem Daumen) ertastet man den Pulsschlag. Um sich Zeit und langes Zählen zu ersparen, ist es üblich, nur 10 Sekunden zu stoppen. Den ermittelten Wert multipliziert man mit 6 und erhält so die Pulsfrequenz pro Minute.
Training von Ausdauer
Zur Verbesserung der allgemeinen aeroben Ausdauer bieten sich für den Freizeitsport zwei Trainingsmethoden an:
- Dauermethode
Bei der Dauermethode wird die Belastung über längere Zeit ohne Pause durchgehalten. Nach diesem Prinzip wird zum Beispiel beim Dauerlauf (›Jogging‹) verfahren oder auch bei der Aerobic-Gymnastik, in der gymnastische Übungen nahtlos aneinander gereiht werden. Viel diskutiert wird hier die Reizintensität, also die Höhe der Belastung, mit der gearbeitet werden soll. Hollmann hat ermittelt, dass die Herzfrequenz mindestens 70% der maximalen Schlagzahl erreichen muss, um das Herzvolumen zu vergrößern. Das entspricht im Durchschnitt etwa dem Pulswert 130, der damit als unterste Reizschwelle aufzufassen ist (die Aktion ›Trimming 130‹ bezieht daher ihren Namen). Trainingswissenschaftler und Mediziner haben bei einer Reizintensität von 70 – 85% der individuellen Höchstbelastung die besten Trainingswirkungen auf die allgemeine aerobe Ausdauer festgestellt.
Beispiel: Alter 30 Jahre
220 – 30 = 190
70 – 85% von 190 = 133 – 162
Für einen 30-jährigen Sportler liegt somit die optimale Pulsfrequenz zwischen 133 und 162 Schlägen pro Minute.
Die Dauermethode kann mit kontinuierlicher oder mit variabler Intensität erfolgen. Der Intensitätswechsel kann planmäßig durch die Lehrkraft gesteuert werden (Wechselmethode) oder es bleibt dem Trainierenden selbst überlassen (Fahrtspiel).
Nach der Reizdauer wird die allgemeine aerobe Ausdauer gegliedert in (nach Hollmann):
Kurzzeitausdauer Mittelzeitausdauer Langzeitausdauer
3 – 10 10 – 30 über
Minuten Minuten 30 Minuten
- Intervallmethode
Im Vergleich zur Dauermethode arbeitet die Intervallmethode mit höheren Belastungsreizen, die sich aber mit Erholungsphasen abwechseln. Je nach Belastungsdauer und Intensität unterscheidet man zwischen dem intensiven und extensiven Intervalltraining.
Intensiv wird verfahren, wenn kurzfristig eine hohe Reizintensität erreicht wird. Hierbei sind vorrangig anaerobe energieliefernde Prozesse leistungsbestimmend. Anaerobes Ausdauertraining führt zwar früher zur Ermüdung, hat aber andere, ebenso wertvolle Trainingseffekte so z.B. eine Verbesserung des Stoffwechsels im Muskel.
Bei der extensiven Belastungsmethode ist die Belastungsphase länger, dafür aber weniger intensiv. Neben der anaeroben tritt zunehmend die aerobe Komponente der Ausdauer in den Vordergrund.
Die dazwischen geschalteten Pausen bei intensivem und extensivem Intervalltraining sind relativ kurz und sollen keine vollständige Erholung bewirken. Einen Anhaltspunkt zur Pausengestaltung gibt die Pulsfrequenz: ist die Schlagzahl auf 130 gesunken, kann eine erneute Belastungsphase einsetzen. Eine solche Pause wird als ›lohnend‹ bezeichnet, da in verhältnismäßig kurzer Zeit eine möglichst gute Erholung erreicht wird.
Intervallmethode intensiv extensiv
Reizintensität 70 – 85% der Bestleistung 50 – 60% der Bestleistung
Pausen länger kürzer
Reizdauer kürzer länger
Reizumfang geringer geringer
Welche der geschilderten Methoden angebracht ist, hängt von der Zielsetzung ab. Im Hinblick auf die positiven Effekte eines aeroben Ausdauertrainings auf das Herzkreislaufsystem, ist für den Fitness-Sportler die Dauermethode oder auch das extensive Intervalltraining vorzuziehen.


FLEXIBILITÄT
Unter Flexibilität versteht man die Fähigkeit, Bewegungen mit großer Amplitude auszuführen. (nach Letzelter)
Physiologische Grundlagen
Für Flexibilität sind auch die Begriffe Beweglichkeit, Gelenkigkeit und Geschmeidigkeit gebräuchlich. Besonders der letztere Ausdruck deutet schon darauf hin, dass freie uneingeschränkte Beweglichkeit mit koordinierter Bewegung und mit guter Körperbeherrschung eng verknüpft ist.
Die Schwingungsweite der Gelenke wird begrenzt durch
- den anatomischen Aufbau des Gelenkes und dessen gegebene Freiheitsgrade
- die Länge und Dehnungsfähigkeit der Muskeln und der Bindegewebshülle (Faszie)
- die Elastizität der Sehnen, Bänder und der Faszie.
Es ist interessant, dass eine durch Training erreichte Flexibilität ausschließlich durch eine verbesserte Dehnungsfähigkeit der Muskelfasern und der Faszie zustande kommt. Nur in geringem Ausmaß können dagegen Länge und Elastizität der Sehnen beeinflusst werden. Vor allem im Erwachsenenalter sind die Grenzen hierfür eng gesetzt. Diese Tatsache soll aber nicht entmutigen, denn die Trainierbarkeit von Flexibilität ist beträchtlich – bei Männern genauso, wie bei Frauen. Zugegebenermaßen stehen die Männer in der Gelenkigkeit den Frauen von Natur aus um einiges nach, die Trainierbarkeit ihrer Muskeln ist aber prozentual gesehen fast gleich hoch! Das bedeutet also, dass trotz der schlechteren Ausgangslage mit einem entsprechend höherem Trainingsaufwand durchaus der weibliche Vorsprung verringert, wenn nicht sogar aufgeholt werden kann. Einen Beweis dafür, dass das möglich ist, liefern die Turner, für die selbst der Spagat kein Problem mehr ist.
Bedeutung von Flexibilität für den Freizeitsportler
Warum müssen auch im Training für Nicht-Leistungssportler Übungen für die Flexibilität enthalten sein?
- Ein nur mäßiger Bewegungsausschlag behindert die Bewegungsfreiheit. Ungehemmtes, gewandtes Bewegen setzt voraus, dass eine gewisse Bewegungsweise in den Gelenken vorhanden ist. Da die Gelenkigkeit mit dem Alter abnimmt, sind Dehnungsübungen gerade für Erwachsene notwendig.
- Beweglichkeit ist damit auch die Voraussetzung für das Erlernen komplizierterer Fertigkeiten, die ein hohes Maß an Koordination erfordern (s.u.). • Beweglichkeit vermindert die Verletzungsanfälligkeit.
- Vor einer Kontraktion muss ein Muskel vorgedehnt sein. Es ist erwiesen, dass ein Muskel bei 20% Vordehnung über die Ruhelage hinaus erst optimale Kraft entwickelt. Für die Trainingspraxis ergibt sich daraus, dass Dehnungen, Kräftigungsübungen vorgeschaltet werden müssen.
Muskeldehnung
Der Dehnungswiderstand der Muskeln verläuft nicht gleichförmig, sondern steigt mit zunehmender Dehnung an. Zu Beginn geben die kontraktilen Elemente in der Muskelfaser nach, da sie sich relativ leicht verformen lassen. Erst bei weiterer Dehnung wird den einwirkenden Kräften wachsender Widerstand entgegengesetzt.
Dies wird durch zwei sich im Muskel befindliche Organe – sogenannte Rezeptoren – ausgelöst, die Länge und Spannungsgrad in der Muskulatur registrieren:
- Muskelspindel
- Sehnenspindel
Die Muskelspindel ist parallel zum Faserverlauf in den Muskelbündeln eingelagert und nimmt an jeder Längenveränderung des Muskels teil. Ab einem bestimmten Spannungsreiz reagiert die Muskelspindel mit einem Signal. Der Sehnenrezeptor sitzt am Übergang zwischen Muskel- und Sehnenfasern. Wegen seiner Lage ist er ein Sensor sowohl für die Dehnung als auch für die Kontraktion, da in beiden Fällen an dem Übergang eine Spannungszunahme auftritt. Die Reizschwelle liegt beim Sehnenrezeptor wesentlich höher als bei der Muskelspindel. Wird nun ein Muskel überschwellig gedehnt, ist das einen Reiz für die Muskelspindel und der sogenannte Dehnungsreflex wird ausgelöst. In einem Reflexbogen geht ein Signal an das Rückenmark, wo es unter sofortiger Umschaltung, d.h. ohne Einbeziehung des Gehirns, einen Impuls zur Gegenreaktion an den betreffenden Muskel abschickt. Das ist der physiologische Vorgang, den wir als ersten Widerstand bei Dehnungsübungen spüren. Der Sehnenrezeptor sorgt dafür, dass das reflektorische Zusammenziehen des Muskels nicht zu stark ausfällt und schwächt die impulsgesteuerte Kontraktion ab. Wenn die Dehnung dennoch über diese erste Schmerzgrenze hinaus geht, z.B. durch äußere Einwirkung, wird durch einen weiteren Reflex ein Signal zur Erschlaffung des Muskels gegeben, um eine vorzeitige Verletzung zu verhindern. Reflexauslöser ist in diesem Fall die Sehnenspindel. Dieser ›Anti-Streckreflex sowie der vorher genannte Dehnungsreflex haben grundsätzlich notwendige Aufgabe, Muskel und Sehnen vor Zerrungen und Rissen zu schützen. Durch einen Mangel an Bewegung wird die Flexibilität zunehmend eingeschränkt: die Muskeln sind nicht geschmeidig genug und oft nur geringe Überdehnung genügt, um sich durch eine Überreaktion der Reflexe Verletzungen zu holen.
Training von Flexibilität
Verbesserung der Beweglichkeit ist also im physiologischen Sinne ein Anheben der Empfindlichkeitsschwelle des Reflexmechanismus.
Beweglichkeit kann auf mehrere Arten erreicht werden:
- Dehnung dynamisch
Weitverbreitet ist die dynamische Dehnungsmethode, in der man sich durch kurzes Wippen oder Federn mehr und mehr an seine persönliche Dehnungsgrenze ›herantastet‹. Bitte verwechseln Sie diese Art der Dehnung nicht mit einem ruckartigen Ziehen bis zum maximalen Bewegungsausschlag oder gar darüber hinaus. Sehnen und Muskeln sind elastische Strukturen, die bei plötzlicher Überdehnung reißen. Heldenhaftes ›Sich selbst überwinden‹ hat also hier nichts zu suchen. Um die Gefahr zu vermeiden, dass man seine eigene Schmerzgrenze ›überhört‹, kann man auch bewusst und langsam dehnen. Durch einen kontinuierlichen Zug erfühlt man seine eigene Grenze und lässt sodann wieder nach. Dies wird mehrmals wiederholt. Physiologisch gesehen wird beim federnden Dehnen die Reizschwelle des Dehnungsreflexes mehrmals überschritten. Dadurch ermüdet der Reflex und es wird eine größere Bewegungsamplitude erreicht. Das Training von Flexibilität kann weiterhin auf aktive oder passive Weise geschehen. Die aktive Dehnung eines Muskelstranges wird durch die Kontraktion des entgegen wirkenden Muskels (Antagonist) bewirkt. Bei federndem Dehnen arbeitet dieser Antagonist dynamisch, bei Stretching statisch. Im Gegensatz dazu wird die passive Dehnung ohne eigene muskuläre Leistung mit Hilfe eines Gerätes oder mit Partner ausgeführt. Im Fitnessbereich ist es empfehlenswert, aktiv ohne Partnerunterstützung zu trainieren, denn für eine allgemeine Leistungsfähigkeit ist extreme passive Beweglichkeit nicht notwendig.
- Dehnung statisch
Neben diesem dynamischen, rhythmischen Dehnen gibt es auch die statische Methode, die unter dem Namen ›Stretching‹ zunehmend Verbreitung gefunden hat. Man erfühlt langsam seine gerade noch angenehme Dehnungsposition und verbleibt dort unter bewusster Entspannung. Beim gehaltenen Stretch wird der Dehnungsreflex einmal aktiviert, aber da nicht nachgegeben wird, erschlafft der Reiz zur Kontraktion allmählich, der Muskel wird weich und dehnungsfähig. Daher kann nach einiger Zeit die Stretchposition noch erweitert werden. Zudem wird die Annahme vertreten, dass je langsamer und sanfter der Dehnungsreiz auf den Muskel einwirkt, auch der Dehnungsreflex umso milder ausfällt. Die konzentrierte Entspannung hat darüber hinaus zum Ziel, auf vegetative Prozesse im Körper Einfluss zu nehmen und die Spannung im Muskel zu reduzieren.
Dynamisches Federn oder Stretching?
Trainingswirksam ist also erwiesenermaßen die dynamische wie auch die statische Methode. In Aerobic-Gymnastik wird dynamisch gedehnt, einerseits wegen der vorherrschenden Rhythmik, andererseits aber auch weil Federn anstrengender ist und damit der Effekt des Ausdauertrainings gewahrt bleibt. Trotzdem kann zwischenzeitlich auch kurz statisch gearbeitet werden. Das reine Stretching hat hingegen gänzlich anderen Charakter. Das ruhige, konzentrierte Halten will neben Flexibilitätsverbesserung auch die physische und psychische Entspannung fördern. Welche Methode Sie letztendlich vorziehen, hängt von Ihrer Zielsetzung, genauso aber auch von Ihrem Typ und Ihrer Einstellung ab.
Den Zusammenhang zwischen Erwärmung und Muskelelastizität untersuchte Grosser und verglich die verschiedenen Methoden zur Erwärmung. Er stellte eine Rangfolge entsprechend ihrer Wirksamkeit auf, die in der folgenden Auflistung dargestellt ist:
- 5 Minuten Wannenbad bei 40°
- 15 Minuten spezielles Aufwärmen
- 20 Minuten Handmassage
- Mentales Aufwärmen
- 15 Minuten allgemeines Aufwärmen
- 15 Minuten Aufwärmen über Spiel
- Kein Aufwärmen bei 20°
- Kein Aufwärmen bei 10°
Aber auch tageszeitliche Schwankungen müssen bei einem Training von Flexibilität berücksichtigt werden. Der intramuskuläre Dehnungswiderstand nimmt im Laufe des Tages ab. Je früher also ein Dehnungstraining angesetzt wird, desto wichtiger ist eine gründliche Erwärmung, um keine Verletzungsgefahr einzugehen.
Das Ausmaß der Dehnungsfähigkeit ist zudem abhängig von:
- Erwärmung
- Tageszeit
- Motivation
Es kann gar nicht oft genug hervorgehoben werden, wie wichtig die Erwärmung der Muskulatur für deren elastische Eigenschaften ist. Durch erhöhte Körpertemperatur nach einer Erwärmung wird die Viskosität, d.h., die innere Reibung der Muskulatur entscheidend herabgesetzt. Ein effektives Dehnungstraining kann und darf daher nur nach ausreichender Erwärmung erfolgen.
ENTSPANNUNGSFÄHIGKEIT UND ATMUNG
Der Entspannungsfähigkeit und Atmung als Komponenten der allgemeinen Leistungsfähigkeit wird in der Regel zu wenig Bedeutung beigemessen. Immer mehr Menschen leiden an Verspannungen in der Muskulatur, die auf Dauer unangenehme Schmerzen bereiten. So sind z.B. Verhärtungen im Rückenbereich geradezu symptomatisch für alle Sitz- und Schreibtischberufe. Muskelverhärtungen, die nur noch durch Massage behoben werden können, sind zu einer echten Zivilisationskrankheit geworden. Entspannungsfähigkeit bezieht sich aber auch auf den psychischen Bereich. Durch die Fähigkeit, sich zu entspannen, können die täglichen Stressoren, wie beispielsweise Lärm oder Erfolgszwang besser bewältigt werden, denn das ›Abschalten‹ vom hektischen Alltag ist für viele Menschen schon keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern zu einer Kunst geworden. Für die Erhaltung der Gesundheit ist körperliches und seelisches Abspannen aber unbedingt notwendig. Inhalt eines Entspannungstrainings ist es, dieses Ausspannen und Erschlaffen des Körpers willentlich steuern zu lernen. Über den Weg einer körperlichen Entspannung kann auch entkrampfend auf die Psyche eingewirkt werden.
Ziele eines Entspannungstrainings:
- Muskuläre Entspannungs- und Erholungsfähigkeit.
- Normalisierung der Körperfunktionen
- (Herzfrequenz, nervale Beruhigung)
- Steigerung der Stresswiderstandsfähigkeit
- Verminderung unangenehmer Stimmungszustände
Bei allen Entspannungsübungen spielt die Atmung eine zentrale Rolle. Durch richtiges Atmen, d.h. ruhige, tiefe Atemzüge, wird einerseits der Gasaustausch in der Lunge begünstigt, andererseits auch beruhigend auf das vegetative Nervensystem eingewirkt. Atmung und Entspannung stehen in einem Wechselverhältnis. Nur wer richtig atmet, kann sich entspannen, aber nur wer sich richtig entspannt, kann richtig atmen. Schulung der Atmung und Entspannungsfähigkeit. Von standardisierten Trainingsmethoden mit festgelegter Reizintensität, Reizdauer usw. kann in diesem Fall nicht mehr gesprochen werden, da man schon in den Grenzbereich des messmethodisch Erfassbaren gelangt. Dennoch gilt der Trainingsbegriff auch für diesen nichtmotorischen Bereich. Autogene bzw. meditative Trainings sind im Leistungs- und Breitensport integriert. Das Bewusstsein soll sich ganz auf die entsprechenden Körperteile konzentrieren und die gesteigerte Spannung des Übergangs von Anspannung zur Entspannung und schließlich das völlige Gelöstsein erleben. Es ist erwiesen, dass auf diese Weise der Erholungsprozess nach dem Sport bemerkenswert beschleunigt wird. Die meditative Hinwendung auf den eigenen Körper schult zudem das Körperempfinden. Eine andere Art, mit der auf die psychische und physische Wiederherstellung nach sportlicher Belastung positiv eingewirkt werden kann, sind atemgymnastische Übungen. Tiefes regelmäßiges Ein- und Ausatmen steht dabei im Mittelpunkt der Übung. Das Einatmen wird begleitet von einer aktiven Erweiterung des Brustkorbes z.B. durch Aufrichten des Oberkörpers mit einem großen Armkreis. Zum tiefen Ausatmen fällt der Brustkorb locker nach vorne, wodurch das Lungenvolumen bei gleichzeitiger Entspannung verkleinert wird. Dieser langsame Wechsel von Brustkorberweiterung und -verkleinerung ist der Kern aller atemgymnastischen Übungen. Fünf Minuten Erholung am Ende einer Trainingseinheit ist wohltuend und schafft einen guten Übergang zum Alltag.
KOORDINATION
Koordination ist das Zusammenwirken von Zentralnervensystem und Skelettmuskulatur innerhalb eines gezielten Bewegungsablaufs. (nach Hollmann) Wenn die Muskulatur gut ausdauertrainiert, kräftig und beweglich ist, ist noch nicht notwendigerweise eine gute Bewegungsausführung gewährleistet. Dazu muss erst die Frage über das ›Wann, Wo und Wieviel‹ des Muskeleinsatzes optimal gelöst werden, bis man von gut ›koordinierter‹ Bewegung sprechen kann.
Physiologische Grundlagen
Das Signal zu einer Muskelkontraktion gibt ein nervöser Reiz, der von den Nervenzentren des Gehirns und des Rückenmarks zu den betreffenden Muskeln gesendet wird. Ein Nerv und die ihm zugehörenden Muskelfasern, die gemeinsam in Aktion treten, nennt man eine motorische Einheit. Ein Muskelstrang besteht aus vielen motorischen Einheiten, deren Anzahl pro Muskelstrang beträchtlich variiert. Je weniger Muskelfasern von einem Nerv innerviert werden, desto feiner kann die Bewegung abgestuft werden, d.h., umso differenzierter ist die Bewegungen. Gut koordinierte Bewegungen erfordern ein fein abgestimmtes neuromuskuläres Zusammenspiel, also ein genaues Zusammenwirken von Nerven und Muskeln. Für die feine Abstimmung des Muskeleinsatzes und die daraus folgende Kontraktionsstärke ist ausschlaggebend, wie viele Fasern innerhalb eines Muskels aktiviert werden (intramuskuläre Koordination). Kein Muskel aber agiert für sich allein, sondern jedem Muskel ist ein ›Gegenspieler‹ zugeordnet. Man spricht von Agonist und Antagonist. Kontrahiert sich der Agonist, muss sich automatisch der Antagonist dehnen. Ein solches Zusammenwirken von Kraft und Gegenkraft hat die Aufgabe, die Bewegungsstärke zu dosieren und somit eine präzise Bewegungsführung zu ermöglichen. Ohne diese intermuskuläre Koordination sind die Bewegungen entweder gehemmt und verhalten oder weiträumig und unkontrolliert. Nahezu jede Bewegung besteht aber aus dem Zusammenwirken mehrerer solcher Funktionspaare, die zu sogenannten Muskelschlingen zusammengefasst werden. So spricht man z.B. von der Beugungsschlinge des Beines, die alle Muskeln umfasst, die die Beinbeugung bewirken. Eine gute intra- und intermuskuläre Koordination ist nur durch Übung zu erreichen.
Steuerung von Koordination
Dieser Teilbereich der allgemeinen Leistungsfähigkeit kann nicht, wie andere motorische Grundeigenschaften, isoliert trainiert werden. Mit Kraft-, Ausdauer-, und Flexibilitätsübungen werden jedoch nicht nur kräftigende, sauer-stoffversorgende und elastische Wirkungen erzielt, sondern gleichzeitig auch das intra- und intermuskuläre Zusammenspiel verbessert. Eine Übung stellt umso höhere Ansprüche an die neuromuskuläre Steuerung, je mehr unterschiedliche Teilaktionen daran beteiligt sind. Einzelübungen ohne Musik und Gerät sind daher im Hinblick auf die Koordination am einfachsten. Aber schon ein durch Musik vorgegebener Rhythmus, auf den sich die Körperbewegung zusätzlich abstimmen muss, erschwert die Übung. Werden noch Geräte, wie Seil oder Reifen in die Übung einbezogen, müssen drei Variable – Bewegung, Musik und Gerät – in Einklang gebracht werden. Das gilt vor allem dann, wenn Reifen oder Seil nicht gehalten, sondern unabhängig geschwungen oder rotiert werden.
Beispiel
Eine einfache Oberkörperseitbeuge im Grätsch-stand wird koordinativ schwieriger gestaltet, wenn sie mit Seitverlagerung kombiniert wird und sich einem Musikrhythmus anpassen muss. Zusätzliches Rotieren mit dem Reifen macht die Übung zu einer hochgradigen Koordinationsübung. Daraus ergibt sich für das Training von solch komplexen Übungen, dass mit einer einfachen Übung angefangen werden muss, die sich durch wiederholtes Üben festigen soll, bis sie ohne Nachdenken – automatisch – abläuft. Erst dann kann auf diese Übung aufgebaut werden, da das Bewusstsein für neue Bewegungen frei ist. Der Grad der Komplexität kann allmählich zunehmen und die Koordination wird geschult. Mit solchen Koordinationstraining wird aber nicht allein der Bewegungsschatz erweitert, sondern übergreifend das Auffassen und Umsetzen von Bewegungen, d.h. die motorische Lernfähigkeit verbessert. Dieser Erkenntnis wird im Praxisteil durch die Übungsstrukturierung Rechnung getragen: Eine leichte Grundübung steht zu Beginn, die, erst wenn sie automatisiert ist, schrittweise variiert und kombiniert werden kann. Zusätzlicher Effekt: Durch mehr Teilaktionen wird eine Übung nicht nur koordinativ schwieriger, sondern auch anstrengender.
Bedeutung von Koordinationsschulung für eine umfassende körperliche Leistungsfähigkeit:
- Exakte Bewegungen sind für den Sport wie auch für den Alltag von großer Bedeutung und werden erst durch wiederholtes Üben möglich.
- Mit dem Erlernen neuer Bewegungen wird der Bewegungsschatz erweitert. Je größer die Bewegungserfahrung ist, desto leichter und schneller kann man sich wieder neue Fertigkeiten aneignen. Die motorische Lernfähigkeit wird also verbessert.
- Durch ein im Training verbessertes neuromuskuläres Zusammenspiel wird der Krafteinsatz ökonomischer. Unnütze Mitbewegungen werden ausgeschaltet – die Bewegungen scheinen leichter und geschmeidiger.
Gute Koordination der Bewegungen ist nicht angeboren, sondern erlernt. Sie spart einerseits Kraft und ermöglicht andererseits erst harmonische, ›runde‹ Bewegungen.
Trainingsauswirkungen auf den Organismus
SKELETTMUSKULATUR
Hypertrophie
Massenzunahme der Muskelfasern und des ganzen Muskels (durch Krafttraining, nicht durch reines Ausdauertraining)
Kapillarisierung
Eröffnung vorhandener oder Neubildung von Kapillaren. Im Verlauf eines Ausdauertrainings werden vor allem in der Muskulatur (auch Herzmuskel) als Anpassung des Gefäßsystems an Ausdauerleistungen neue Kapillaren gebildet.
Stoffanreicherung
Im trainierten Muskel sind mehrere für seine Leistungsfunktionen wesentliche Stoffe vermehrt aufgefunden worden (z.B. Glucose).
Erhöhung des Wirkungsgrades
Infolge größerer Ökonomie der Bewegungsabläufe sind bei gleicher Leistung ›O2‹- und Energieverbrauch, Milchsäurekonzentration und Ermüdung des trainierten Muskelsystems kleiner.
Zuwachs an Kraft und Leistung
Die Kraft nimmt in Beziehung zum gesamten Querschnitt des Muskels zu.
SKELETTSYSTEM
Das Breitenwachstum trainierter Knochen wird gefördert. Durchmesser, Querschnitt, Umfang, Volumen und Gewicht trainierter Knochen nehmen zu. Es erfolgt eine Anpassung der Knochen- und Gelenkstrukturen an spezielle funktionelle Beanspruchungen. Beweglichkeit und Gelenkigkeit können hierdurch zunehmen. Übermaß an Beanspruchung kann zum Abbau und zur Auflösung knöcherner Strukturen an Stellen starker, andauernder Beanspruchung führen (Ermüdungsbruch). Trainingsmangel führt zum Abbau von Knochensubstanz und zur Abnahme der Gelenkigkeit.
BLUT
Dauertraining bewirkt eine Vermehrung der Gesamtzahl der roten Blutkörperchen, des roten Blutfarbstoffs und des Blutvolumens. Es kann mehr Sauerstoff aufgenommen und transportiert werden. Die Herzschlagfrequenz und der Blutdruck sind bei ständig trainierenden Dauerleistern kleiner.
ATEMAPPARAT
Training bewirkt eine Hypertrophie (=Anpassungsvorgang beanspruchter Organe an vermehrte Leistung) der Atemmuskulatur. Die Vitalkapazität wird durch Dauerleistungstraining erheblich vergrößert, die O2-Ausnutzung der Atemluft ist größer als bei Untrainierten.
Quellen
Handbuch (nach Frey & Hildenbrandt) (Röthig, 1983).