Para
Leichtathletik
5.3.7 | Wurf-Sitzend-Disziplinen
Stoßen und Werfen aus der sitzenden Position kommt für all jene Athleten infrage, deren Beine vollständig oder so stark beeinträchtigt sind, dass sie stehend keine gezielten schnellkräftigen Bewegungen ausführen können. Wie für die Rennrollstuhlfahrer können für die Sitzwerfer nach Art der Beeinträchtigung zwei Startgruppen unterschieden werden:
- Athleten mir zerebraler Beeinträchtigung, die von Geburt an, durch spätere Erkrankung oder einen Unfall an Gehirn bzw. Zentralnervensystem beeinträchtigt sind. Bei ihnen müssen die neurologischen und koordinativen Reaktionen auf die Trainingsbelastung sorgfältig beobachtet werden.
- Athleten mit Querschnittslähmung, deren Rückenmark von Geburt an, durch Erkrankung oder Unfall beschädigt und nicht voll funktionsfähig ist.
Innerhalb dieser beiden Gruppen ist das Ausmaß der Beeinträchtigung sehr groß, sodass verschiedene Startklassen erforderlich sind, um eine gewisse Chancengleichheit im Wettkampf sicherzustellen. Für die zerebral beeinträchtigten Athleten sind das vier, für die Querschnittsgelähmten sogar sieben Startklassen (s. o., Tab. 3.5 und Tab. 3.11).
Die Sitzwerfer können im Wettkampf einen Alltags- bzw. Aktivrollstuhl oder einen normgerechten, individuell gefertigten Wurfstuhl benutzen (s. o., Kap. 3.4.3), der jeweils vor Wettkämpfen vom Schiedsgericht geprüft und abgenommen werden muss. Der Stuhl wird im Wurfkreis mit Spanngurten auf einer eigens dafür konstruierten Bodenplatte befestigt. Die Athleten werden ebenfalls mit Gurten auf der Sitzfläche fixiert, dass kein Hüftund Beineinsatz bzw. ein Anheben der Hüfte (sogenanntes „Lifting“) möglich ist. Dadurch sind das Ausholen, aber auch der Aufbau einer Vorspannung und der Beschleunigungsweg bis zum Abstoß deutlich eingeschränkt. Dem begegnen die Sitzwerfer durch ausführliche Ausholbewegungen mit Rumpf und Armen vor- und zurück.
Abb. 5.106 Neben der geraden kann sich der Sitzwerfer auch für eine diagonale Position auf dem Wurfstuhl entscheiden
Die Sitzwerfer können entscheiden, ob sie mit einer sogenannten Wurfstange, die vorn links oder rechts am Wurfstuhl befestigt wird, mit einem Wurfrahmen, der oberhalb der Beine über die ganze Breite des Wurfstuhls angebracht ist, oder ohne Haltevorrichtung werfen bzw. stoßen. Zusätzlich können sie entscheiden, ob sie gerade oder diagonal auf dem Wurfstuhl sitzen.
Bei Wettkämpfen werden, nachdem die Athleten auf dem Wurfstuhl fixiert worden sind, nach wenigen Einstößen/-würfen die sechs Wettkampfversuche unmittelbar aufeinanderfolgend durchgeführt. Erst dann folgt der nächste Athlet. Durch den Zeitaufwand bei Wechsel der Wurfstühle haben die Athleten in größeren Teilnehmerfeldern häufig lange Wartezeiten.
Durch die Fixierung der Beine auf dem Stuhl sind die vorbereitenden bzw. Ausholbewegungen auf den Oberkörper und den Wurfarm (Zurücklehnen und Verwringen) begrenzt. Daher werden die technikentwickelnden Übungen gemeinsam mit den Haupttrainingsübungen abgehandelt.
5.3.7.1 Kugelstoß
Je nachdem, ob sich der Werfer an einer Haltevorrichtung (Stange, Rahmen) festhält oder darauf verzichtet, kommt es zu unterschiedlichen Bewegungsausführungen. Daher werden nachfolgend beide Varianten dargestellt und beschrieben.
5.3.7.1.1 Beschreibung Wettkampftechnik Kugelstoß sitzend
Kugelstoß ohne Wurfstange
Die Kugel wird durch den im Ellbogen gebeugten Stoßarm und die Stoßhand hoch am Hals fixiert. Aus der leicht nach vorn gebeugten Startposition (Bildreihe 19, Bild 1) schwingt der Athlet den Rumpf mit der am Kinn/Nacken fixierten Kugel außergewöhnlich weit nach hinten bis in eine liegende Position aus und verdreht den Rumpf dabei entgegen der Stoßrichtung (Bild 2), so dass ein relativ großer Beschleunigungsweg entsteht. Schon in der letzten Phase des Ausholens wird die Bauchmuskulatur innerviert und angespannt, um die nachfolgende Aufrichtund spätere Ausstoßbewegung mit einer gewissen Vorspannung zu beginnen. Die Aufrichtbewegung erfolgt maximal dynamisch, dabei wird die Stoßschulter mit der Kugel zunächst zurückgehalten (Bild 3). Kurz bevor der Rumpf die Senkrechte erreicht hat, löst der Athlet die Kugel vom Hals und streckt den Stoßarm explosiv nach vorn oben. Mit dem Nachschlagen der Finger löst sich die Kugel und fliegt in einem Ideal-Winkel von ca. 36 Grad ab (Bild 4). Der Athlet lässt Arm und Oberkörper nachschwingen und fängt so die Bewegung ab.
Bildreihe 19 Kugelstoß sitzend ohne Wurfstange
Kugelstoß mit Wurfstange
Die Kugel wird durch den im Ellbogen gebeugten Stoßarm und die Stoßhand hoch am Hals fixiert. Mit der Nicht-Wurfhand hält sich der Athlet an der Stange bzw. dem Rahmen fest, holt erst kurz nach vorne aus (Bild 1) und lehnt sich dann, soweit es das Festhalten an der Stange erlaubt, mit der Stoßschulter noch etwas nach hinten zurück (Bild 2). Am Ende der rückwärtigen Ausholbewegung leiten die Kontraktion der Bauchmuskulatur und des Bizeps des Haltearms die schnellkräftige Bewegung nach vorne ein. Dabei bleibt die Stoßhand mit der Kugel so lange am Hals, bis die Schulterachse nahezu die Frontalstellung zur Stoßrichtung erreicht hat (Bild 3). Während die Gegenschulter blockiert, wird der Stoßarm explosiv nach vorn oben gestreckt (Bild 4) und die Kugel mit dem Nachschlagen der Hand bzw. der Finger ausgestoßen (Bild 5). Statt der Wurfstange kann auch ein waagerechter, meist frontal angebrachter Greifbügel zum Festhalten verwandt werden (Abb. 5.107).
Bildreihe 20 Kugelstoß sitzend mit Wurfstange
Abb. 5.107 Kugelstoß sitzend mit Greifrahmen
5.3.7.1.2 Trainingsübungen zur Entwicklung des Kugelstoßens sitzend
- Anbahnung der Kugelstoßtechnik
- Trainieren der Wettkampfübung
- Stöße aus verkürztem Ausholen
- Stöße mit leichten und schweren Kugeln
- Vielseitige Stöße mit unterschiedlichen Geräten
- Spezielle Beweglichkeit und Athletik
- Einschlägige Maximalkraftübungen
1. Anbahnung der Kugelstoßtechnik
Zunächst müssen die Sportler mit dem vergleichsweise schweren Gewicht der Kugel vertraut gemacht werden. Dazu nehmen sie die Kugel in die Hand, strecken sie nach oben, halten sie am ausgestreckten Arm oder sie lassen sie mit beiden Händen um den Körper kreisen (Abb. 5.108). Durch den geraden Stoß nach unten erlernen sie die hohe Halteposition des Ellbogens und die geradlinige Bewegung bei vergleichsweise niedrigem Gerätewiderstand kennen. Anschließend üben sie das Anpressen der Kugel an den Hals bei hoher Ellbogenhaltung, lehnen sich mit dem Körper zurück und vor. In der Vorwärtsbewegung bringen sie die Wurfschulter nach vorn, halten die Kugel aber noch fest am Hals.
Abb. 5.108 Gewöhnungsübungen an die Kugel
2. Trainieren der Wettkampfübung
Das Haupttrainingsmittel zur Stabilisierung und Verbesserung der Technik ist die Wettkampfübung an sich, die jeweils im Techniktraining den Höhepunkt und den Großteil der Stöße ausmacht. Um Wege und Zeit zu sparen, empfiehlt es sich, mit mehreren Kugeln zu trainieren, die nacheinander gestoßen werden, so dass eine kleine Serie entsteht. Nach dem Einsammeln der Kugeln durch den Trainer folgt die nächste der in der Summe 6–8 Serien a 4–6 Stöße. Im Techniktraining werden die Schwerpunkte gemäß der individuellen Leittechnik bzw. der aktuellen Abweichung davon gesetzt:
- Kugel fest an den Hals drücken
- Aufrichten und Anspannen des Oberkörpers
- Nach kurzem Vorpendeln weites Ausholen nach hinten
- Optimale Rumpfverwringung entgegen der Stoßrichtung
- Schneller Übergang von der Rück- zur Vorwärtsbewegung
- Optimaler Beschleunigungsweg, Rumpf bis zur Senkrechten
- Explosives Strecken des Wurfarms
- Nachschlagen mit der Hand
In den einzelnen Stoßserien konzentrieren sich Athlet und Trainer auf einzelne dieser Technikaspekte bzw. versuchen sie miteinander zu verbinden.
3. Stöße aus verkürztem Ausholen
Als Vorform der Stöße mit vollem Ausholen bzw. optimal langem Beschleunigungsweg können Stöße aus bewusst verkürztem Ausholen bzw. ohne starke Verwringung durchgeführt werden. Dadurch entsteht eine gewisse Leistungsreserve zu den vollen Stößen, zudem kann der Trainer dem Training eine gewisse Struktur geben, sodass erst Gewöhnungsübungen, dann Stöße nach unten, dann Stöße aus kurzem Ausholen und schließlich Stöße mit optimalem Ausholweg aufeinanderfolgen. Die Stöße mit verkürztem Ausholen können ein oder zwei Serien ausmachen.
Abb. 5.109 Kugelstoß mit verkürztem Ausholen aus dem Aktivrollstuhl
4. Stöße mit leichten und schweren Kugeln
Fortgeschrittene bzw. Spitzenathleten können das Kugelstoßen durch den Einsatz leichterer, vor allem aber schwererer Kugeln variieren. Leichte Kugeln ermöglichen eine schnelle Ausstoßbewegung. Das Stoßen mit schweren Kugeln ist eine besondere Form des speziellen Krafttrainings, die Wettkampfbewegung wird gegen einen erhöhten Widerstand ausgeführt (s. u., Kap. 6.3). Dies führt idealerweise zu einer Erhöhung der speziellen Kraft, doch ist durch das schwerere Gerät auch die Bewegungsausführung verlangsamt, so dass ein negativer Transfer auf die Wettkampfbewegung droht. Dem begegnen Trainer und Athlet, indem
- Das Gewicht der Kugel nur moderat erhöht wird (z. B. < 10 %)
- Nur eine begrenzte Anzahl Stöße mit der schweren Kugel erfolgt (z. B. 2–3x 5 Wdh.)
- Das Training immer mit Stößen mit dem Wettkampfgerät beendet wird
5. Vielseitige Stöße mit unterschiedlichen Geräten
Der Athlet hat die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Geräten zu arbeiten und damit eine Varianz ins Training zu bringen. Schon genannt wurden leichtere und schwerere Kugeln, eine andere Form der Variation ist das Einflechten von Stoßserien mit dem anderen Arm, z. B. jeweils nach vier Serien rechts eine Serie Stöße mit dem linken Arm. Das ist nicht nur eine Erholung für den Stoßarm, sondern eröffnet auch andere Möglichkeiten, die Bewegung wahrzunehmen und positive Transferseffekte zu schaffen. Das Hauptgerät für ein vielseitiges Stoßtraining ist der Medizinball, der mit rechts und links, aber auch beidarmig gestoßen werden kann. Die Stoßrichtung kann vielfach variiert werden, senkrecht nach unten, schräg nach unten, gerade nach vorn, nach vorn oben oder senkrecht nach oben. Die Übungen können mit Partner oder gegen die Prellwand ausgeführt werden. Außer Stößen können natürlich noch viele andere Wurfübungen mit dem Medizinball durchgeführt werden (s. u., Kap. 6, Athletik).
Abb. 5.110 Beid- und einarmiges Medizinballstoßen nach oben und nach vorn
Abb. 5.111 Imitation Kugelstoßbewegung gegen Therabandwiderstand mit Hilfestellung
6. Spezielle Beweglichkeit und Athletik
Durch das Dehnen von Armen, Schultern und Oberkörper wird nicht nur der Bewegungsapparat allgemein erwärmt, sondern auch die Bewegungsweiten (=Amplituden) und damit die Ausholund Beschleunigungswege vergrößert. Klassische Übungen sind Schulter- und Armkreisen, jeweils mit den Armen links und rechts weit über den Kopf greifen, Schultern im Wechsel anheben und senken. Doch können auch Hilfsmittel wie das Theraband zum Einsatz kommen, um die Bewegungsweite in der Stoßbewegung zu optimieren (Abb. 5.111).
Für die Sportler, die zwar rollstuhlpflichtig sind, aber noch über eingeschränktes Steh- und Gehvermögen verfügen, sind Beweglichkeits- und Mobilisierungsübungen im Stehen und Gehen wichtige Trainingsbestandteile, insbesondere, um die Mobilität zu erhalten, aber auch, um das Training vielseitiger zu gestalten und das einschlägige Übungsgut, hier die Arbeit mit dem Medizinball zu erweitern (Abb. 5.112).
Abb. 5.112 Spezielles Aufwärmen im Gehen mit Medizinball
7. Einschlägige Maximalkraftübungen
Wie schon zuvor ausgeführt, haben Kraftübungen für die Armstrecker gleichermaßen einen allgemeinen wie speziellen Charakter mit einer hohen Auswirkung auf die Stoßleistung. Das können Übungen mit der Freihantel, mit Kurzhanteln und mit Maschinen sein. Durch einen erhöhten Widerstand wird die synchrone Kontraktion vieler (aller) Muskelfasern verbessert, was auch für den schnellen Ausstoß der Kugel vorteilhaft ist (siehe Kap. 6).
Tab. 5.18 Trainingsmittel für die Technikschulung Kugelstoß sitzend
5.3.7.2 Diskuswurf
5.3.7.2.1 Beschreibung Wettkampftechnik Diskuswurf sitzend
Diskuswurf ohne Wurfstange
Nachdem der Athlet den Diskus mit den Endgliedern der Finger in der Hand fixiert hat, nimmt er beide Arme seitlich hoch und beginnt mit einer Ausholbewegung seitlich quer über den Körper nach vorn links mit Verwringung des Rumpfes ebenfalls nach links (Bildreihe 21, Bild 1). Vom vorderen Wendepunkt beginnt nun die eigentliche Ausholbewegung nach hinten, bei der Diskus und Wurfarm weit nach rechts hinten geschwungen werden, so dass der Diskus am hinteren Wendepunkt beinahe in Wurfrichtung zeigt (Bild 2). Schon kurz vor Erreichen des Wendepunktes startet der Athlet die finale Beschleunigung in Wurfrichtung, wobei er auf den weit abgespreizten Arm zur Verlängerung des Beschleunigungswegs achtet. Der Rumpf und die Wurfschulter sind dem Wurfarm jeweils voraus (Bild 3), so dass eine deutliche Verwringung und Vorspannung in der Wurfmuskulatur entsteht. Kurz vor dem eigentlichen Abwurf blockiert der Athlet die Gegenschulter. Dadurch wird Energie auf die Wurfschulterseite übertragen und der Diskus zusätzlich beschleunigt (Bild 4). Zu diesem Zeitpunkt steht die Schulterachse frontal zur Wurfrichtung. Mit dem Vorschleudern des Wurfarms verlässt der Diskus die Hand über den Zeigefi nger und erhält so eine flugstabilisierende Eigenrotation. Durch die flache Handhaltung löst sich der Diskus im flachen Anstellwinkel (Bild 4). Beides zusammen, Rotation und Anstellwinkel ermöglichen so einen aerodynamisch günstigen Flug (Bild 5). Nach dem Abwurf lässt der Athlet Wurfarm und Rumpf ausschwingen und fängt die Bewegung ab.
Bildreihe 21 Diskuswurf sitzend ohne Wurfstange
Diskuswurf mit Wurfstange
Bei Athleten mit reduzierter Rumpfstabilität kann der Diskuswurf alternativ auch mit Nutzung der Haltestange verwandt werden. Der Gegenarm kann dann zwar nicht zur Unterstützung der Ausholbewegung und zur Vergrößerung der Schwungmasse verwandt werden, doch wird durch das Festhalten an der Wurfstange der Oberkörper beim Zurücklehnen und wieder Vorschwingen stabilisiert (Bildreihe 22, Bilder 2–3). Zudem unterstützt das Festhalten während des Abwurf die Blockbildung der Nicht-Wurfschulter (Bilder 3–4).
Bildreihe 22 Diskuswurf sitzend mit Wurfstange
5.3.7.2.2 Trainingsübungen zur Entwicklung des Diskuswurfs sitzend
- Anbahnung der Diskuswurftechnik
- Trainieren der Wettkampfübung
- Schleuderwürfe mit leichten und schweren Disken
- Vielseitige Würfe mit unterschiedlichen Geräten
- Spezielle Beweglichkeit und Athletik
1. Anbahnung der Diskuswurftechnik
Der Athlet muss sich mit dem aerodynamischen Wurfgerät vertraut machen. Dazu lässt er den Diskus aus der Hand über den Zeigefinger so abrollen, dass er möglichst lange auf dem Boden geradeaus rollt. Eine weitere Gewöhnungsübung ist das Hochwerfen des Geräts aus langer Armhaltung, wobei der Diskus wieder durch Drehen aus der Hand über den Zeigefinger in eine Rotation versetzt wird. Mit Schwingen des Diskus vor- und zurück am langen Arm, wobei die Endglieder der Finger den Diskus festhalten, wird das Ausholen und Abwerfen vorbereitet. Durch Variation von Armhöhe und -neigung während des Schwingens lernt der Athlet den Bewegungsraum kennen.
Erste Schleuderabwürfe können mit einfachen Hilfegeräten, die leichter zu greifen und zu halten sind, durchgeführt werden. Das können Bälle, Wurfstäbe, Wurfringe oder Schleuderbälle mit Griffschlaufe sein. Bei diesen Geräten können sich Athlet und Trainer auf den möglichst langen Ausholweg, die weite Armführung und die Endbeschleunigung im Abwurf konzentrieren (Abb. 5.113). Ist hier ein individuell guter Weg gefunden, können die Würfe mit dem Diskus ausgeführt werden, der durch die Fliehkräfte beim Schwingen mit den Fingerendgliedern gehalten werden kann, so dass am Abwurfende durch das Herausdrehen über den Zeigefinger ein Drehimpuls auf den Diskus übertragen wird, der das Gerät im Flug stabilisiert. Ein weiterer Aufmerksamkeitspunkt für den Lernenden ist das Flachhalten des Diskus in der finalen Beschleunigung mit dem Daumen. Durch die Imitation der Beschleunigungsbewegung ohne Abwurf kann die flache Daumen-Hand-Diskus-Position kontrolliert werden. Betont flache Abwürfe mit hohem Arm stabilisieren den flachen Anstellwinkel zusätzlich. Indem in den ersten Technikeinheiten die vorgenannten Lernschritte wiederholt und vorangetrieben werden, kann sich eine erste Wurftechnik festigen.
2. Trainieren der Wettkampfübung
Der Diskus ist durch seine ästhetische, gleichmäßige Form ein nicht leicht zu beherrschendes Wurfgerät. Entsprechend viel Übung, sprich häufiges Werfen ist erforderlich, um mit dem Diskus befriedigende Wurfergebnisse zu erzielen. Da das Gerät im günstigen Fall weiter fliegt (als die Kugel), sollten im Training mehrere Disken zur Verfügung stehen, die nacheinander abgeworfen werden können, so dass die Erfahrungen vom vorigen Wurf unmittelbar beim nächsten Abwurf noch spürbar sind und in eine Verbesserung umgesetzt werden können. Jeweils durch das Einsammeln und Zurückbringen der Disken ergibt sich die Serienpause.
Damit die Wettkampfreife erreicht wird, muss der Diskus stabil im Wurfsektor landen. Durch kontrollierte Würfe mit bestimmter Zielrichtung (z. B. auf Markierungen senkrecht gegenüber der Ringkante) kann dem seitlichen „Ausbrechen“ der Disken vorgebeugt werden.
Gelingt das Geradeauswerfen, kann die Beschleunigungsintensität allmählich erhöht werden. Beim Werfen ohne Haltevorrichtung kann das Ausholen freier, z. B. auch als Mehrfachausholen erst nach vorn, dann weit nach hinten gestaltet werden. Durch Probieren sollte der Athlet die für sich beste Ausholart herausfinden und stabilisieren.
Abb. 5.113 Schleuderwurf mit dem Wurfstab
3. Schleuderwürfe mit leichten und schweren Disken
Ist die Technik sehr stabil und hat der Athlet über ein mehrjähriges Training schon eine sehr gute allgemeine Athletik, kann er durch Würfe mit leichten und schwereren Geräten neue koordinativ-technische Akzente im Training setzen. Dabei können Disken, aber auch Wurfstäbe oder Schleuderbälle genutzt werden (Abb. 5.114). Da durch den Schleuderwurf und die Verwringung beim Ausholen erhebliche Kräfte auf Schulter- und Ellbogengelenk einwirken, müssen Trainer und Athlet die Anzahl schwerer Würfe gut dosieren. Gerade filigrane Athleten können sonst durch anhaltende Über- bzw. Fehlbelastungen Gelenkschäden erleiden. Schmerzen, aber auch kinematische Abweichungen von der Ideallinie sind Hinweise, dass das Wurfgewicht zu schwer oder der Athlet ermüdet ist. Nach Würfen mit leichten bzw. schweren Disken folgen immer noch einige Würfe mit dem Wettkampfgerät, um die normale Bewegungsdynamik herzustellen.
Abb. 5.114 Wurf mit dem Schleuderball
4. Vielseitige Würfe mit unterschiedlichen Geräten
Wie alle Sitzwerfer sollte auch der Diskuswerfer eine Bewegungsvielfalt im Speziellen herstellen. Neben Diskuswürfen mit dem anderen Arm wird diese Vielfalt durch unterschiedliche Wurfgeräte, wie sie schon vorgestellt wurden, nicht zuletzt durch verschiedene Arten, zu werfen und zu stoßen, sichergestellt. Der Diskuswerfer stößt ergänzend auch die Kugel, wirft den Speer, das Rundgewicht und vereinzelt die Keule, nicht zuletzt arbeitet er intensiv mit dem Medizinball (Abb. 5.115-117).
5. Spezielle Beweglichkeit und Athletik
Um eine optimale Verwringung zwischen Arm- und Schulterachse sowie zwischen Schulter- und Hüftachse zu erreichen, müssen Diskuswerfer gleichermaßen im Schulter-Rumpfbereich beweglich und kräftig sein. Die Beweglichkeit wird durch einschlägige Dehnübungen vergrößert. Dies können Übungen der Schwunggymnastik wie Armkreisen, Schultern seitlich drehen und Hüftkreisen sein, aber auch gehaltene Übungen, z. B. den gestreckten Arm gegen die Wand lehnen und den Körper quer dazu mit der Gegenschulter nach hinten dehnen. Speziell in Phasen intensiver Kräftigung bzw. Techniktrainings ist im Anschluss ein Dehnen der Hauptbelastungsmuskulatur wichtig, um die Beweglichkeit zu erhalten. Ähnlich wichtig wie der Erhalt bzw. die Verbesserung der Beweglichkeit ist der Aufbau einer allgemeinen Athletik, die in der Körpermitte bzw. dem Rumpf ihren Anfang nimmt. Situps, Liegestütz, Aufricht- und Halteübungen in der Bauch- bzw. Schräglage, seitliche Würfe, Hammerwurfschwünge, Zugübungen aller Art, aber auch das wechselseitige Anheben der Schultern gegen Widerstände sind nur ein kleiner Teil der Übungen zur Stärkung der Körpermitte (Abb. 5.118-199).
Abb. 5.115 Rückwärts-Schleuderwurf mit Rundgewicht
Abb. 5.116 Arme gegen Widerstand des Therabandes auseinanderziehen
Abb. 5.117 Training der schrägen Bauchmuskulatur mit diagonalen Medizinballwürfen
Abb. 5.118 Kräftigung der Schultern mit Rundgewichten, links seitliches Drehen am langen Arm, rechts Neigen des Rumpfs nach links und rechts gedreht werden
Abb. 5.119 Schwünge mit dem Hammer im Kniestand zur Erhöhung der Rumpfstabilität
Tab. 5.19 Trainingsmittel für die Technikschulung Diskuswurf sitzend
5.3.7.3 Speerwurf
Der Speer ist gleichermaßen ein filigranes wie sperriges Gerät, das im Wurf bzw. in der Luft aerodynamische Eigenschaften entwickelt, die der Athlet für optimale Wurfweiten nutzen muss.
5.3.7.3.1 Beschreibung Wettkampftechnik Speerwurf sitzend
Speerwurf ohne Wurfstange
Aus der Ausgangsposition mit dem Speer in Hochhalte über dem Kopf (Bildreihe 23, Bild 1) und dem Gegenarm in gestreckter Position vor dem Körper holt die Athletin mit dem gesamten Rumpf nach hinten aus, verwringt dabei den Oberkörper mit der Speerschulter weiter nach hinten unten und überführt den Speer zugleich in eine Rückhalteposition (Bild 2). Auch der Gegenarm wird seitlich mit nach hinten geführt. Kurz bevor die maximale Ausholposition erreicht hat, kontrahiert die Athletin die Bauchmuskeln, bremst damit die Rückwärtsbewegung ab und leitet die Aufricht- bzw. Vorschwungbewegung ein. Der Speer befi ndet sich idealerweise in Verlängerung des Arms, z. T. sieht man auch eine steilere Position des Speers (Bild 2). In der Vorschwungbewegung wird bei Rückhalten des Speers (=Wurfverzögerung) auf der Wurfseite erst die Brust, dann die Wurfschulter, schließlich der Wurfarmellbogen nach vorn gebracht (Bild 3), bevor Unterarm und Wurfhand nach vorne geschlagen werden und den Speer hoch beschleunigen (Bild 4). Im Moment des Abwurfs sollte der Abwurfwinkel im Bereich von 30-36° liegen und der Anstellwinkel nicht weit vom Abwurfwinkel abweichen. Nachdem der Speer die Wurfhand verlassen hat, pendelt die Athletin mit dem Oberkörper nach vorne aus, fängt die Bewegung ab und gelangt wieder in die Ausgangsposition.
Bildreihe 23 Speerwurf sitzend ohne Wurfstange
Speerwurf mit Wurfstange
Zunächst bringt die Athletin den Speer in eine stabile Griff- und Halteposition neben dem Kopf (Bildreihe 24, Bild 1). Zum Ausholen lehnt sie sich weit nach hinten in eine beinahe liegende Rumpfposition zurück und führt zugleich den Wurfarm mit dem Speer zur Verlängerung des Beschleunigungswegs weit nach hinten (Bild 2). Parallel dazu hält sie sich mit dem Gegenarm an der Stange fest, öffnet mit zunehmendem Zurücklehnen das Ellbogengelenk und baut durch ein leichtes Anspannen des Bizeps Vorspannung in der Muskulatur auf. Bevor sie den hinteren bzw. unteren Wendepunkt des Ausholens erreicht hat, beginnt die Athletin, die Rumpfmuskulatur anzuspannen, bremst damit das Ausholen ab und leitet in die Aufrichtposition über. Dabei bleibt der Speer am langen Arm hinter dem Körper. Noch bevor der Rumpf die Senkrechte erreicht hat, beginnt sie, den Ellbogen des Wurfarms nach vorne zu führen (Bild 3), um dann mit dem Unterarm und schließlich der Hand den Speer herauszuschleudern bzw. zu schlagen (Bilder 4–5).
Bildreihe 24 Speerwurf sitzend mit Wurfstange
Tab. 5.20 Speerwurf-Weltbestleistungen in den unterschiedlichen Startklassen (nach www.paralympic.org, 2023), grau unterlegt: Sitzend-Startklassen
5.3.7.3.2 Trainingsübungen zur Entwicklung der Speerwurftechnik sitzend
- Anbahnung der Speerwurftechnik
- Trainieren der Wettkampfübung
- Schlagwürfe mit Hilfsgeräten
- Vielseitige Würfe mit unterschiedlichen Geräten
- Spezielle Beweglichkeit und Athletik
1. Anbahnung der Speerwurftechnik
Oftmals wird der Schlagwurf von Kindern schon beherrscht, bevor sie in die Vereine kommen. Dennoch ist wichtig, dass die Trainer vermitteln, dass beim Schlagwurf immer erst der Ellbogen vorgebracht wird, um die Schlagkraft des sich dann streckenden Unterarms und der Wurfhand für die hohe Endbeschleunigung des leichten Gerätes auszunutzen. Diese Bewegungsvorstellung kann zunächst als Imitation mit einem Ball in der Hand durch das Zurückführen des langen Arms nach hinten (nicht unten), anschließend dem Vorbringen des Ellbogens mit dem gebeugten Unterarm bzw. Hand am Kopf und dem erst dann schlagartig vorschnellenden Unterarms entwickelt werden. Wenn diese Bewegung genügend langsam ausgeführt wird, kann der Sportler selber die Richtigkeit der Ausführung feststellen. Nachdem der Trainer mit der Imitation zufrieden ist, lässt er den Schlagball mit dem Vorschleudern des Unterarms abwerfen. Dabei hat ein kontrolliertes Werfen auf ein Ziel, z. B. ein Medizinball auf einem Kasten in ca. 5 m Entfernung, eine stabilisierende Wirkung auf die Ausführungsqualität. Nach einigen Versuchen kann man zu einem Minispeer wechseln, der leichter und wesentlich kürzer als der normale Speer und dadurch besser zu handhaben ist. Nun rückt als wesentliches Ausführungskriterien der gerade Flug des Gerätes in den Fokus, der durch eine geradlinige Abwurfbewegung und ein stabiles (nicht abknickendes) Handgelenk erzeugt wird, ansonsten flattert oder taumelt der Speer, was sich nachteilig auf die Weite auswirkt. Gelingt auch der Wurf mit dem Minispeer zufriedenstellend, kann der Athlet zum normalen Speer wechseln, der durch seine Länge sicherer in der Hand liegt, jedoch im Vorbringen dazu verleitet, das Handgelenk abzuknicken, so dass gerade in den ersten Würfen hier der Aufmerksamkeitsschwerpunkt von Trainer und Athlet liegen muss. Wiederum durch ein Ziel in wenigen Metern Entfernung am Boden wird der Athlet angehalten, den Speer flach nach vorn zu führen, so dass der Speer mit der Spitze zuerst den Boden berührt bzw. sogar im Rasen stecken bleibt.
Abb. 5.120 Beidarmiger Speerwurf
2. Trainieren der Wettkampfübung
Um den Speer im richtigen Abwurf- und Anstellwinkel abzuwerfen, sodass er bezüglich der zu erwartenden Wurfweite eine optimale Fluglage bekommt, bedarf es viel Übung bzw. einer hohen Zahl von Trainingswürfen, die gewöhnlich in Serien ausgeführt werden, wie es zuvor für die anderen Würfe beschrieben wurde. Da nur durch das Ausholen und die finale Beschleunigung Kräfte auf den Speer bzw. Hand, Ellbogen und Wurfschulter ausgeübt werden können (und nicht durch Anlauf und Beinarbeit im Druck- und Stemmschritt), sind die auftretenden Kräfte für Muskulatur und Gelenke weniger hoch, so dass von daher auch höhere Wiederholungszahlen im Training möglich sind, beim Jugendlichen z. B. 10 Serien a 5 Würfe, Spitzenathleten erreichen auch 100 und mehr Würfe in einer Trainingseinheit. Um eine gewisse Vorspannung und reaktive Reaktion der final wirksamen Muskulatur zu erreichen, muss der Athlet im Übergang vom Ausholen zur Vorwärtsbewegung und bei der finalen Beschleunigung durch das Voreilen von mittlerem Rumpf, Schulter und Ellbogen eine Spannung in der Streckmuskulatur erzeugen. Bei beidarmig ausgeführten Würfen wird die Vorspannung besonders betont, so dass sie ins Techniktraining eingebaut werden sollten (Abb. 5.120). Bei nur kurzer Aufrichtstrecke ist das eine anspruchsvolle, individuell zu lösende Aufgabe, die im Techniktraining immer wieder im Fokus steht, nicht zuletzt – neben der allgemein athletischen Entwicklung – für eine mehrjährige Leistungsverbesserung sorgt.
3. Schlagwürfe mit Hilfsgeräten
Schon beim Erlernen des Schlagwurfs haben Minispeere eine wichtige Funktion. Sie kommen auch später immer wieder zum Einsatz, weil durch den geringeren Widerstand der Werfer sein Augenmerk auf die Erzeugung einer optimalen Fluglage bei hoher Auswurfgeschwindigkeit lenken kann bzw. muss, wenn er gute Weiten erzielen will. Vergleichbare Geräte sind leichte Stöcke und Bälle (Abb. 5.121). Sofern es die Mobilität der Beine ermöglicht, kann der Athlet auch im Stehen bzw. Gehen Schlagwürfe mit Speer oder Hilfsgeräten ausführen (Abb. 5.122). Ganz leichte Geräte wie Darts-Pfeile, Tischtennisbälle oder auch Streichhölzer haben für die Verbesserung der Wurfpräzision ihre Bedeutung. Wurfbälle bieten den Vorteil, dass mit ihnen gegen eine Prellwand geworfen, sie wieder aufgefangen und so intensive Schlagwurfserien erzeugt werden können. Bei Schlagbällen kann das Gewicht variiert werden, ebenso bei Medizinbällen. Letztere sind weniger gut zu greifen, doch können auch damit reizvolle Übungsanordnungen geschaffen werden, beispielsweise, wenn der Athlet im Kastenteil im Langsitz den Ball weit ausholend gegen eine Wand wirft und nach Abprallen wieder aufnimmt.
Abb. 5.121 Wurf mit Mini-Speer, Nordic Walking Stock und Schlagball
Abb. 5.122 Würfe im Stehen, so weit möglich
Abb. 5.123 Schlagwurf, Sitzend im Kastenteil
4. Vielseitige Würfe mit unterschiedlichen Geräten
Der Speerwerfer sollte nicht nur Schlagwürfe ausführen, sondern auch alle Möglichkeiten des Wurftrainings nutzen, um Rumpf-, Schulter-, Arm- und Handmuskulatur zu kräftigen. Neben den Wettkampfgeräten sind das die jeweiligen Hilfsgeräte (Abb. 5.124), dabei als Universal-Hilfsgerät der Medizinball, der einen vielfältigen Einsatz ermöglicht. Nicht zuletzt eignet er sich für Partnerübungen, mit denen das Training intensiver, aber auch unterhaltsam gestaltet werden kann. Nicht nur die Geräte, sondern auch die Art der Würfe sollte variiert und auffordernd gestaltet werden, z. B. über eine gespannte Leine oder durch einen hochgehängten Reifen für einen steileren Abwurfwinkel, auf eine Bodenmarkierung hin für einen flacheren Abwurf. Die Spiele bieten viele Möglichkeiten des Werfens und Fangens, daher sollten sie besonders bei jungen Athleten, durchaus in gemischten Gruppen zum Einsatz kommen.
Abb. 5.124 Vielseitige Wurfgeräte
Abb. 5.125 Beidarmiger Einwurf mit Medizinball
5. Spezielle Beweglichkeit und Athletik
Um einen optimal langen Beschleunigungsweg, sowie Verwringung und Vorspannung im Körper erzeugen zu können, benötigt gerade der Speerwerfer eine große allgemeine, aber auch spezielle Beweglichkeit. Dabei hat das Schultergelenk als Mittler zwischen dem starken Rumpf und den schnellen oberen Extremitäten eine zentrale Stellung. Vor jedem Training, noch einmal verstärkt vor dem Techniktraining sorgen Dehn- und Schwungübungen für eine ausreichende Mobilität und Stabilität des Schultergelenks (Abb. 5.126). Soweit ansteuerbar, wird auch der untere Rumpf in das Dehnprogramm einbezogen.
Für die athletische Ausbildung von Rumpf und Armen stehen eine Vielzahl von Übungen zur Verfügung, die in Kap. 6 vorgestellt werden. Für Werfer ist insbesondere die Hand- und Fingerkraft bedeutsam. Sie können mit Greif- und Halteübungen, z. B. an einer Reckstange (Klimmzüge, …), aber auch mit Kleingeräten wie kleinen Bällen trainiert werden. Einzelne Athleten nutzen auch Gewichtsmanschetten an den Unterarmen, um hier einen größeren Widerstand aufzubauen.
Abb. 5.126 Spezielle Gymnastik für Speerwerfer, Ein-Ausschultern
Abb. 5.127 Handkräftigung mit Greifball und Hantelstange
Tab. 5.21 Trainingsmittel für die Technikschulung Speerwurf sitzend
5.3.7.4 Keulenwurf
Der Keulenwurf ist den Athleten mit sehr starker Beeinträchtigung der Startklassen F31/32/51 vorbehalten. Im Keulenwurf gibt es gleich mehrere Techniken, um gute Weiten zu erreichen. Die Keule kann von oben als Schlagwurf nach vorn oder als Schockwurf von unten bzw. rückwärts über die Schulter nach hinten geworfen werden. Diese Techniken sind überwiegend von der Art bzw. dem Grad der Behinderung abhängig, aber auch von den Vorlieben der Trainer und Athleten, nicht zuletzt durch Ausprobieren entstanden wie im Grunde alle leichtathletischen Techniken.
5.3.7.4.1 Beschreibung Wettkampftechniken Keulenwurf sitzend
Schockwurf von unten
Der Athlet holt mit der Keule am langen Arm weit nach vorn (Bild 1), dann nach hinten aus (Bild 2). Schon vor dem Wendepunkt der Keule wird die Schulter- und Brustmuskulatur kontrahiert und die Vorwärtsbewegung eingeleitet. Der lange Arm mit der Keule wird energisch eng am Körper/Stuhl vorbei nach vorn beschleunigt (Bild 3). Beim Passieren der Senkrechten wird durch Einsatz des Oberarmbizeps der Unterarm zusätzlich beschleunigt. Dabei bildet die Gegenschulter einen Block. Während der Arm sich schon wieder in der ansteigenden Bewegung befindet, öffnet der Athlet die Hand und lässt die Keule nach schräg vorn abfliegen. Der Arm schwingt nach oben aus und beendet die Wurfbewegung (Bild 4).
Bildreihe 25 Keulenwurf als Schockwurf von unten
Schockwurf rückwärts
Die Athletin hält sich mit der linken Hand an der Wurfstange fest und beugt sich mit dem Oberkörper und dem gestreckten Wurfarm mit der Keule weit nach vorne (Bild 1). Am Wendepunkt beginnt sie den gestreckten Arm nach oben hinten zu ziehen (Bild 2), dabei knickt die Keule in Verlängerung zum Arm im Handgelenk leicht ab (Bild 3). Der Oberkörper hat in Bild 3 die Senkrechte passiert und lehnt sich gegen den hinteren Halterahmen an (Bild 4), zugleich ist der linke Arm weitgehend gestreckt. Bevor die Athletin mit dem Wurfarm die Senkrechte erreicht, wirft sie die Keule durch Öffnung der Hand nach oben-hinten ab (Bild 5).
Bildreihe 26 Keulenwurf als Schockwurf rückwärts über den Kopf
Schlagwurf
Der Athlet hält sich mit der linken Hand am Greifrahmen des Wurfstuhls fest. In Verbindung mit einer gleichzeitigen Schwungbewegung des Oberkörpers holt er mit der rechten Hand erst nach vorn (Bild 1), dann nach oben weit über den Kopf nach hinten aus (Bild 2), bis die Keule nahe an den Rücken gelangt (Bild 3–4). Durch das Vorbringen des Wurfarm-Ellbogens wird die Keule nach vorn beschleunigt (Bild 4) und die Schlagbewegung des Unterarms nah am Kopf vorbei nach vorn oben vorbereitet (Bild 5). Mit dem Öffnen der Hand und dem Lösen der nach schräg oben abfliegenden Keule schließt der Athlet den Wurf ab.
Bildreihe 27 Keulenwurf als Überkopf-Schlagwurf
5.3.7.4.2 Trainingsübungen zur Entwicklung des Keulenwurfs
- Anbahnung der Keulenwurftechnik/Techniktraining
- Vielseitige Würfe mit unterschiedlichen Geräten
- Spezielle Beweglichkeit und Athletik
1. Anbahnung der Keulenwurftechnik/Techniktraining
Wird die Keule mit der Schlagwurftechnik geworfen, gelten für die Ausbildung der Technik die gleichen Hinweise wie für den Speerwurf, also das Eindrehen des Arms, das Vorbringen von Schulter und Ellbogen vor dem finalen Strecken („Schlagen“) des Unterarms. Keine Rolle spielt allerdings die Aerodynamik, so dass die Keule steiler, d. h. früher abgeworfen werden kann als der Speer. Auch die handferne Lage des Keulenschwerpunktes legt einen frühen, steilen Abwurf nahe. Bei Trainingswürfen mit einem Ball bzw. einem Stab ist dieser Unterschied zu berücksichtigen.
Beim Keulenwurf am langen Arm ist für die Leistung entscheidend, mit welcher Geschwindigkeit die Hand mit der Keule bewegt wird. Das ist wiederum von der Winkelgeschwindigkeit des Arms am Schultergelenk und von der Armlänge abhängig. Ähnlich wie im Diskuswurf haben große Athleten bzw. solche mit langen Armen insofern einen doppelten Vorteil: sie können höher abwerfen und eine höhere Endgeschwindigkeit erzielen. Ebenso wichtig für eine gute Wurfweite ist, dass die Keule im richtigen Moment bzw. Abwurfwinkel die Hand verlässt. Wegen des schon genannten handfernen Schwerpunktes der Keule ist dieser Moment (Winkelstellung des Arms) etwas früher als bei z. B. einem Ball.
Auch wenn biomechanische Auswertungen Klarheit über den optimalen, individuellen Abwurfwinkel bringen, müssen Athlet und Trainer zunächst durch Probieren herausfinden, zu welchem Abwurfzeitpunkt resp. sich daraus ergebenden Arm-Rumpf-Winkel die besten Weiten erreicht werden, und dann koordinativ den optimalen Abwurfpunkt der Keule eben in diesem Zeitfenster trainieren. Da Athleten in den genannten Startklassen deutlich ausgeprägtere spastische Beeinträchtigungen aufweisen, stellt die motorische Ansteuerung (hinsichtlich der räumlich-zeitlichen Koordinierung der Gesamtbewegung) einen wesentlichen Inhalt des Techniktrainings dar.
2. Vielseitige Würfe mit unterschiedlichen Geräten
Wie für alle Sitzend-Wurf-Disziplinen gilt auch hier, möglichst vielseitig zu trainieren und alle Wurfformen, die möglich sind oder sein könnten auszuprobieren, um so die motorischen Fertigkeiten zu steigern, aber auch die allgemeine Fitness zu erhöhen. Dies sind einerseits die Wettkampftechniken, andererseits aber auch variantenreiche Medizinballwürfe.
3. Spezielle Beweglichkeit und Athletik
Abgesehen von der Wurftechnik ist die Leistung im Keulenwurf auch von der Beweglichkeit der beteiligten Gelenke, von der Bewegungsschnelligkeit der antreibenden Muskulatur (Schulter, Unterarm), nicht zuletzt von der Stabilität des Rumpfes abhängig, der erst die koordinierte Bewegung des Arms ermöglicht, eventuell sogar unterstützt.
Daraus ergeben sich Aufgaben für das allgemeine Training: Die Beweglichkeit der Gelenke und die Elastizität der Muskulatur zu erhalten bzw. zu verbessern, selbstständig und mit Hilfe von Physiotherapeuten. Die Kräftigung der Hauptmuskulatur durch Widerstandstraining kann mittels Theraband oder an Zugapparaten erfolgen (Abb. 5.128), indem die Zielbewegung gegen erhöhten Widerstand ausgeführt wird. Wenn möglich, kann auch mit freien Gewichten wie Kurzhanteln bzw. Kettlebells trainiert werden.
Abb. 5.128 Training am Zuggerät zur Steigerung der Armstreckkraft
Tab. 5.22 Trainingsmittel für die Technikschulung Keulenwurf